Zwei Jahre Volksbegehren Artenvielfalt – wo stehen wir?

MdL Rosi Steinberger diskutierte in der GRÜNEN STUNDE u.a. mit Stefanie Auer, Matthias Weigl und Diana Niebrügge von den Passauer Grünen über Artenschutz in Bayern

Grüne Stunde mit MdL Rosi Steinberger

„Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen“ – mit diesem erfolgreichsten Volksbegehren in der Geschichte des Freistaats ließen sich 1,8 Millionen Wahlberechtigte Anfang 2019 in ihren Rathäusern eintragen. Durch ihr Votum formulierten die Bürgerinnen und Bürger ihre Erwartung eines konsequenten Schutzes der vorhandenen Artenvielfalt auf gesetzlicher Grundlage. Wo stehen wir zwei Jahre später? Rosi Steinberger, Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz im bayerischen Landtag, zog im Rahmen der fünften digitalen „Grünen Stunde“ der Passauer Grünen Bilanz. Begrüßt wurden die Gäste vom Sprecher des Kreisverbands Passau-Stadt und Stadtrat Matthias Weigl, zum anderen von der Passauer Bundestagskandidatin und Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Passauer Stadtrat, Stefanie Auer. Steinberger legte zu Beginn den Fokus auf die hohe Akzeptanz des Volksbegehrens in der Bevölkerung, denn „alle haben es bemerkt“: wenn 75% der Biomasse verschwinden, erfährt das jede und jeder im eigenen Garten oder beim Spazieren. Somit wurde das Quorum von 10% überall in Bayern erreicht, in Passau Stadt mit 16,8% und im Landkreis mit 13%. Zehn Schwerpunkte sollten somit in Gesetzesänderungen eingehen: Gewässerrandstreifen, Streuobstwiesen, Artenreiche Wiesen, Alleen, Biotopverbünde, Lichtverschmutzung, Ökolandbau, Walzen der Wiesen, Pestizideinsatz und Naturwälder. Ihre tatsächliche Umsetzung lässt nach zwei Jahren, so Steinberger, größtenteils zu wünschen übrig. Oftmals krankt dies an den exakten Definitionen der zu schützenden Aspekte, die im Text des Volksbegehrens nicht immer genau genug festgehalten wurden: Wie misst man einen fünf Meter breiten Gewässerrandstreifen? Ab Böschung oder ab Flussmitte? Versteht man unter Streuobstbaum einen Baum, dessen erster Ast schon 1,7 Meter über dem Boden abzweigt? Oder doch erst ab 1,8 Metern, so dass der gesamte Freistaat über kaum eine Streuobstwiese verfügt? Wo genau sind die zu schützenden Zonen verortet? Gibt es dafür aktuelle Kartierungen? Wie errechnet man Gesamtflächen der geschützten Biotope? Reicht das Addieren von verschiedenen isolierten Parzellen aus? Was ist dann mit dem Verbund-Gedanken? Wie viele Alleen hat Bayern? Warum sieht die Staatsregierung keinen Anlass, deren Kartierung zu aktualisieren? Bei diesen und vielen anderen Fragen gingen den Anwesenden die Augen auf: Es reicht mitnichten, ein Volksbegehren durchzubringen. Anschließend sind Politik und Zivilbevölkerung aufgerufen, der Staatsregierung genau auf die Finger zu schauen. Denn, so Steinberger, es kommen bei der Festlegung relevanter Messgrößen durchaus Interessen zum Tragen, die denjenigen der Initiatoren genau entgegengesetzt sind. Dabei sei der Umstand, dass der aktuelle bayerische Umweltminister im Prinzip nur ein „orange angemalter Schwarzer sei“, nicht gerade hilfreich. „Auch die Kommunen sollten sich verstärkt bei der Artenvielfalt engagieren“, sagte Stefanie Auer. „Es wird beispielsweise Zeit, dass Passau wieder eine Baumschutzverordnung kriegt.“ Wichtig sei es auch, dass es in den Städten möglichst viele Grünflächen gibt. Auch beim Kauf von Gartenerde sei ein wachsames Auge wichtig, so ein Teilnehmer, da Torf keinem umweltbewussten Verbraucher in die Beete kommen dürfe. Diese Erfahrungen könnten demnächst der Formulierung des Volksbegehrens zum Klimaschutz zugutekommen. Das aktuelle Klimaschutzgesetz in Bayern, betonte Steinberger, sei „obsolet“. Im Wahlkampfjahr steigt der Druck auf die Regierung – ein breiter Trägerkreis arbeite daran, eine Unterschriftensammlung noch vor der Sommerpause in die Wege zu leiten. Zum Schluss lenkte Kreisverbandssprecher und Moderator Matthias Weigl den Blick auf die kürzlich erfolgte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welches das bisherige Klimaschutzgesetz der Bundesregierung als völlig unzureichend ansah. Steinberger begrüßte diese Entscheidung als wegweisend, da sie erstmals den Finger in Richtung Zukunft richte: Jede verspätete Handlung der jetzigen Behörden stelle eine reelle, juristisch existierende Gefahr für die Lebensgrundlage der kommenden Generation dar. Der Kreisverband der Grünen zog ein positives Fazit dieser informativen Sitzung: „Mit Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl ist es uns Grünen wichtig, unsere Kernthemen möglichst effektiv und faktenbasiert ins Zentrum der Debatte zu rücken“, so Vorstandsmitglied Christopher Zehetbauer.