Ziel: Hundert Prozent „Erneuerbare“

Hundert Prozent Erneuerbare Energien sind möglich: Hans-Josef Fell (2.v.r.), Präsident der Energy Watch Group, forderte beim BürgerEnergiestammtisch Sittenberg, hinter dem Erich Käser (v.l.) Helgard Gillitzer vom Bund Naturschutz, Johannes Schmidt von der KLB und Josef Pauli stehen, ein Ende der Treibhausgas-Emissionen. -Foto: Wildfeuer

Hans-Josef Fell fordert Ende der Treibhausgas-Emissionen – EEG-Novelle nachbessern

Ein Ende der Treibhausgas-Emissionen und eine Politik mit dem Ziel, zu hundert Prozent Erneuerbare Energien (EE) zu nutzen, hat Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und Ex-MdB beim jüngsten BürgerEnergiestammtisch Sittenberg in Neukirchen vorm Wald gefordert. Unter dem Titel „Ein Recht auf Sonne – Wie es mit den Erneuerbaren Energien weitergeht“ zeigte er auf, dass das 100-Prozent-EE-Ziel erreichbar und kostengünstiger als die Nutzung fossiler und atomarer Energien ist und zugleich dem Klima- und Artenschutz dient.

Bürgerbildung und die Vermittlung von Informationen zur Energiewende seien Ziel des BürgerEnergiestammtisches (BESt) Sittenberg, sagte Johannes Schmidt, KLB-Kreisvorsitzender und einer der Veranstalter, vor 45 Zuhörern, darunter Pfarrer Markus Krell. Anliegen des BESt sei, ein Bewusstsein für regionale Unabhängigkeit und Wertschöpfung zu schaffen, global zu denken, zukunftsorientiert und fachlich fundiert lokal zu handeln. Hans-Josef Fell informiere über das Erfolgsmodell EEG (Erneuerbare Energien-Gesetz), an dem er mitschrieb und gehe auch auf Hemmnisse ein, die die Politik schuf.

Fell würdigte das ehrenamtliche Engagement des BESt für den Klimaschutz. Jede und jeder könne dafür etwas tun. Klimaschutz trage zur Gesundheitsförderung bei. Sieben Millionen Menschen weltweit würden aufgrund der Luftverschmutzung verfrüht sterben. Auch Schadstoffe im Wasser und Boden, Pestizide und Antibiotika im Fleisch oder Radioaktivität machten krank. Doch statt konsequent auf Erneuerbare Energien umzustellen, gebe es Emissionshandel.

Wie wichtig der Ausbau der EE ist, zeigten die Folgen des Klimawandels, brennende Wälder in Kalifornien, schlimme Monsunregen in Indien, Dürren in Afrika. Heute liege die Erderwärmung bereits um 1,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Dennoch wolle die EU erst 2050 klimaneutral werden. Ein „Weiter wie bisher“ bedeute, dass die Erderhitzung bis 2050 um drei Grad Celsius zunimmt. Ein Anstieg des Meeresspiegels um 0,5 Meter, Wassermangel in Dürre-Regionen für zwei Millionen Menschen und Hunger seien Folgen. Eine Welternährung für alle sei dann nicht mehr möglich.

„Dies kann nur durch eine globale Null-Emissionswirtschaft spätestens ab 2030 verhindert werden“, sagte Fell. Er warnte vor Scheinlösungen. Fossile Energieträger verursachten 55 Prozent der Treibhausgase. Um die Erde abzukühlen, sei ein Ende des Treibhausgasausstoßes, der Umstieg auf hundert Prozent EE notwendig. Es gelte, Kohlenstoff aus der Atmosphäre herauszuholen etwa durch Aufforstung, Moorschutz und Bio-Landwirtschaft.

„Die Energiewende ist keine Frage von technischer Machbarkeit oder Wirtschaftlichkeit, sondern eine des politischen Willens“, sagte Fell. Hundert Prozent EE seien kostengünstiger als das derzeitige Energiesystem und führten zu „Null-Emissionen“ bis 2030. Die heimischen EE, Solarenergie und Speicher, Wind- und Wasserkraft, Biogas und Geothermie ermöglichten Energieautarkie und Millionen von lokalen Arbeitsplätzen. Die Energiepreise von Wind und Photovoltaik lägen unter den Kosten für Nuklear- und fossile Energien.

Fell bedauerte, dass der politische Wille von den Interessen jener beeinflusst werde, die die Verlierer seien, von Öl-, Erdgas-, Kohle- und Uranlobby sowie der Automobilindustrie. In Bayern habe die 10-H-Regelung die Windkraft abgewürgt. Dies gelte es zu durchbrechen, mit Ökostrom in Bürgerhand, der Solaranlage auf dem Dach und dem Speicher im Keller. Ein weiterer Effekt sei die Demokratisierung der Energiegeschäfte, wenn diese in Bürgerhand sind.

Heftig kritisierte Fell die neue EEG-Novelle der Bundesregierung. Sie falle hinter ihr Ziel, den Ökostromanteil bis 2025 auf 40 bis 45 Prozent auszubauen, das derzeit schneller erreicht werde, zurück. Sie sorge für Rückgang statt Ausbau der Solarenergie.

Fell riet, Synergien zu nutzen, etwa von PV-Freiflächenanlagen auf Äckern, um „doppelte Ernte“ einzufahren. PV auf einem Prozent der Weltagrarflächen bringe den gesamten Energiebedarf. Für Städter gebe es Balkon-Module. Sie seien billiger, als Strom zu kaufen. Und EE ermöglichten auch Artenschutzerfolge. An den Vortrag schloss sich eine Diskussion an. Angeregt wurde beispielsweise, die Kosten für die Umstellung auf hundert Prozent Erneuerbare Energien in den Landkreisen Passau und FRG von der Energy Watch Group durchrechnen zu lassen. Fell wünschte hier die Zusammenarbeit mit Experten vor Ort, etwa der Uni Passau.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 21.10.2020
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