NEUE MITTE PASSAU – ECE-STADTGALERIE: Rabiate Entmietungsmethoden oder Zufall?

Eisige Zeiten für resolute Mieterin Anna Haas

Rätselhafter Wasserschaden in der leeren Wohnung über der 87-Jährigen – Haus soll dem Shoppingcenter weichen

Objekt der ECE Begierde in der Bahnhofstrasse Passau

In dem fast leer stehenden Haus Bahnhofstraße 13/15, zwei Etagen über dem Optik-Geschäft Sommer (links unten), kam es zu einem Wasserrohrbruch. Davon betroffen war auch die Wohnung der letzten Mieterin Anna Haas im 1. Stock. (Foto: Jäger)

von Christian Karl

Für Anna Haas, die einzig übrig gebliebene Mieterin in dem einst von 20 Parteien bewohnten Doppelblock Bahnhofstraße 13/15, herrschen derzeit harte Zeiten. Jüngst sollen in ihrem Haus ungebetene Gäste genächtigt und gebechert haben, weswegen jetzt vom Hauseigner das Schloss am Eingang ausgetauscht wird. Am Wochenende kam es in dem Gebäude, das Neue-Mitte-Investor ECE für sein Shoppingcenter „Stadt-Galerie“ verplant hat, zu einem Wasserschaden. Der hat nicht nur die Wohnung der 87-jährigen Mieterin, sondern auch ihre Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen.„Meine Mutter hat sich nach einem Feuerwehreinsatz in dem Haus gewaltig aufgeregt und fühlt sich schon etwas drangsaliert“, sagt Tochter Renate Haas, die vehement für das lebenslang garantierte Mietrecht ihrer Mutter in dem Haus kämpft.

Bei Minusgraden tagelang Fenster offen

Das Gebäude ist in einem aktuellen Bebauungsplan zugunsten der „Stadt-Galerie“ zum Abbruch vorgesehen. Dort soll eine Fassade des ECE-Shoppingcenters entstehen. Der Hamburger Investor hat einen Kaufvertrag mit Rücktrittsrecht unterzeichnet für das Gebäude, das dem größten deutschen Wohnungsunternehmen, der Deutschen Annington GmbH, gehört. In dem Haus lebten bis zuletzt fast ausschließlich frühere Bahn-Mitarbeiter, die nach der Privatisierung der Bundesbahn mit einem lebenslangen Wohnrecht ausgestattet wurden. Allen, bis auf Anna Haas, hatte Investor ECE mit finanzieller Unterstützung Alternativ-Wohnungen vermittelt.

Im zweiten Stock der Bahnhofstraße 13 hat es nun am Wochenende einen Wasserrohrbruch gegeben. Den Vorfall bemerkte rein zufällig Max Kollinger, ein Mitarbeiter des darunter liegenden Optiker-Geschäf-tes Sommer, der am Sonntagnachmittag dort zu tun hatte. In dem Geschäft beschädigte durchgedrungenes Wasser Wände und Teile einer EDV-Anlage. Der von Kollingers Kollege Stefan Grünwedel informierte Hausverwalter wollte sich erst am Tag darauf um die Angelegenheit kümmern, worauf die beiden Optiker-Kollegen die zwei Etagen darüber liegende Wohnung aufbrachen. Zuvor hatten sie noch OB Albert Zankl, mit dem der Sommer-Mitarbeiter Max Kollinger bekannt ist, um Rat und Erlaubnis gefragt.

„In der Küche ist das Wasser gut sechs Zentimeter hoch gestanden“, erinnert sich Stefan Grünwedel. „Zuerst haben wir selbst versucht, das abzuschöpfen, später kam die Feuerwehr, und pumpte mit Schläuchen ab.“ Auch in die schräg darunter liegende Wohnung von Anna Haas im 1. Stock ist Wasser eingedrungen. „Aber nur kleine Flecken an Wand und Decke“, bestätigt Tochter Renate Haas.

Spekulationen über den Wasserrohrbruch

Über die Ursachen des Wasserrohrbruchs darf spekuliert werden. Nach PNP-Informationen waren in der beschädigten Wohnung mehrere Tage bei Nachttemperaturen über zehn Grad minus die Fenster gekippt. In der Küche, wo das Wasser austrat, ist ein Rohr zwischen Boiler und Wasserhahn freiliegend. Zudem soll in der besagten Wohnung schräg über Anna Haas’ Wohnung im Gegensatz zu anderen leer stehenden Wohnungen der Wasser-Haupthahn aufgedreht gewesen sein.

„Zum Glück ist das alles nicht in der Wohnung von Frau Haas passiert“, sagt ECE-Objektentwickler Christoph Augustin. „Wer weiß, was die Leute dann alles vermutet hätten.“ Die Verantwortung für den Vorfall trage aber nach wie vor die Deutsche Annington. Augustin bestätigt, dass „irgendwer verpennt hat, die Fenster zuzumachen, so dass eine Leitung geplatzt ist“. Und dass jetzt Schlösser in dem fast leerstehenden Haus ausgetauscht werden, hat den Grund, „weil offenbar noch einige Schlüssel dafür in Umlauf sind“.

Dann muss ECE „halt etwas umplanen“

An Spekulationen, ihre Mutter könne bewusst schikaniert und zum Auszug genötigt werden, will sich Renate Haas nicht beteiligen. Nur soviel: „Ich habe die Deutsche Annington und ECE in einem Brief gebeten, doch in Zukunft mehr dafür zu sorgen, dass das Wohnrecht meiner Mutter entsprechend gewürdigt wird. Was da zuletzt passierte, ist kein Zeichen für eine ordentliche Wartung.“

Noch an Weihnachten hatte die Deutsche Annington Anna Haas Weihnachtswünsche übermittelt und ihr das bestehende Wohnrecht nochmals schriftlich bestätigt. „Ihr Mietvertrag gilt selbstverständlich mit allen Rechten und Pflichten uneingeschränkt weiter“, stand in dem Schreiben.

Den zuletzt öfter laut gewordenen Vorwurf, die Tochter zeige Verantwortungslosigkeit, ihre betagte Mutter allein in dem Haus zu lassen, kontert Renate Haas: „Ich habe meine Mutter im letzten Jahr sogar zu einem Auszug geraten und mich mit Billigung meiner Mutter an einen Makler gewandt. Als meine Mutter dann aus lauter Angst vor dem Auszug an Appetitlosigkeit litt und im Frühjahr zusammenklappte, war für mich und meine Mutter klar, dass sie dort bleiben will. Alles andere würde sie psychisch nicht überstehen.“

Zudem kenne die sehbehinderte Anna Haas in der Wohnung, in der sie seit 51 Jahren lebt, jeden Winkel und jeden Weg. Nach wie vor stünde ECE bereit, so Christoph Augustin, der Mieterin eine Wohnung im Umfeld ihrer altbekannten Nachbarn zu vermitteln. Sollte Anna Haas eine nach wie vor angestrebte Einigung ablehnen und in dem Haus bleiben wollen, respektiere man das. Dann müsse man bei ECE, das mit dem Bau der Stadtgalerie im Mai beginnen will, „halt etwas umplanen“.

Dass durch ihre Mutter das ECE-Vorhaben beeinträchtigt werden könnte, lässt Renate Haas, die notfalls auch auf dem Klageweg das Bleiberecht ihrer Mutter durchsetzen will, relativ kalt: „Mir geht es nur um das Wohl meiner Mutter – nicht um Geld und nicht um ECE, die immer wussten, dass in dem Haus viele Mieter mit lebenslangem Mietrecht wohnen.“