MdB Margarete Bause kritisiert Seehofers Flüchtlingspolitik
Zu einem breiten Bündnis der Menschlichkeit hat MdB Margarete Bause von Bündnis 90/Die Grünen angesichts von dramatischen Abschiebungen und einer zunehmend rigorosen Flüchtlings- und Asylpolitik auf einer Veranstaltung des Vereins „Integrationshilfe Passau“ aufgerufen, das auch Bürgermeisterin Erika Träger und Grünen-Landeschef Eike Hallitzky unterstützen.
Der Umgang mit Flüchtlingen und Schutzbedürftigen sei eine Frage der Menschenrechte, sagte Margarete Bause, Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag. Sie berichtete über dramatische Fälle von drohender oder vollzogener Abschiebung, bei denen verzweifelte Menschen sich an sie wandten. Dazu zählte Lamin aus Passau, ein Flüchtling aus Sierra Leone, der trotz seiner schweren Hepatitiserkrankung vom Krankenbett im Klinikum Passau aus abgeschoben werden sollte und im März mit 20 Jahren verstarb. Die 2017 diagnostizierte Erkrankung sei nicht ernsthaft behandelt worden. Er sei vielmehr damals ohne Rücksicht auf grundlegende menschliche Standards nach Italien abgeschoben worden, wo er auf der Straße lebte und dann nach Deutschland zurückkehrte.
Aufwühlend sei auch der Fall einer Familie aus Aserbeidschan, deren Asylantrag abgelehnt worden war, obwohl sie sehr bemüht war, erzählte Bause. In einer Nacht- und Nebelaktion seien Vater und Sohn in Handschellen gelegt und die ganze Familie in das Flugzeug nach Baku gesetzt worden. Dort seien sie von der Polizei empfangen und ins Gefängnis gebracht worden. Bause fragte nach der Menschlichkeit in Deutschland. Erst am Vortag habe sie den Anruf eines Äthiopiers erhalten, der seit 27 Jahren in München lebe, Job und Wohnung habe, bestes Deutsch spreche und nach dem Ablauf seines Passes nun abgeschoben werden solle. Selbst Uiguren, die in China verfolgt werden, müssten zurück, was selbst Innenminister Joachim Herrmann erstaunt habe.
Ohne Rücksicht auf humanitäre Standards solle hart durchgegriffen, sollten Angst und Schrecken verbreitet werden, kritisierte Bause. Sie trat für ein breites Bündnis von Menschlichkeit ein, das über Kirchen, Verbände, IHK, Vereine, Gewerkschaften und all jene reiche, die sich um ein gutes Miteinander und Menschlichkeit bemühen, um aktiv zu werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer habe einen Masterplan für schnelle Abschiebungen und eine rigorose Flüchtlings- und Asylpolitik aufgestellt. Dieser sehe Abschiebezentren vor, die als Ankerzentren bezeichnet würden und das Gegenteil von Sicherheit und Integration bedeuteten. Ziel sei, die Menschen dort schnell zurückzuführen. Parademodell sei Manching bei Ingolstadt. Dort lebten Menschen bereits seit zwei Jahren und länger. Dennoch gebe es weder Sprach- und Integrationskurse noch unabhängige Rechtsberatung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, keine Möglichkeit, selbst Essen zuzubereiten und für Kinder nur eingeschränkten Unterricht. Dies sei unerträglich und entmündigend. Sie hoffe, die Bundestagskollegen würden dagegenstimmen.
Ein weiteres Thema war der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige, der bis 1. August ausgesetzt ist und dann mit einem neuen Gesetz geregelt wird. Seehofer wolle ihn trotz des Kontingents von 1000 Familienangehörigen im Monat, das der Koalitionsvertrag vorsieht, einschränken, zum Beispiel für jene, die Sozialleistungen erhalten, monierte Bause. Diese dürften jedoch nicht arbeiten. Viele Syrer würden bereits in die Türkei zurückkehren, weil sie ihre Familien nicht nachholen können. Sie forderte für alle Flüchtlinge die gleichen Rechte. Integration gelinge dann, wenn Schutzsuchende Perspektiven sähen und ihre Familie in Sicherheit wüssten. „Gift“ für die Integration sei auch das Arbeits- und Ausbildungsverbot, das trotz des Fachkräftemangels und der Bereitschaft von Betrieben und Kommunen, Flüchtlinge einzustellen, bleibe.
Grünen-Landesvorsitzender Eike Hallitzky plädierte dafür, sich stark zu machen für die „Entgiftung unseres Zusammenlebens“. Er wandte sich gegen die Kürzungen bei der Asylberatung in Höhe von acht Millionen Euro. Gleichzeitig werde mehr als das Zehnfache für die Sicherheit der Gemeinschaftsunterkünfte ausgegeben. Es sei naiv zu meinen, es kämen keine Flüchtlinge mehr, wenn man den Standard der Unterkünfte senkt. Er zollte den Kirchen Respekt, die christliches Engagement zeigten.
Viele Menschen seien verunsichert, vor allem auch Ehrenamtliche, sagte Bürgermeisterin Erika Träger. Sie wandte sich dagegen, eigene Flüchtlingsklassen zu bilden und warnte davor, Hartz-IV-Empfänger gegen Flüchtlinge auszuspielen.
In der Diskussion schilderten Teilnehmer, dass Flüchtlinge in den Unterkünften oft nur mehr von Ehrenamtlichen Hilfe erhielten. Staatlicherseits kümmere sich niemand mehr um sie. Eine Zuhörerin bezeichnete die Einschränkung des Familiennachzugs als „herzlos“. Dies sei Politik auf Kosten der Menschen, vor allem der Kinder. Die Schwächsten würden gegeneinander ausgespielt, bemängelte auch Sascha Müller. Eine Besucherin forderte höhere Stundenkontingente für Sprachkurse. Ludwig Schmidlehner, Vorsitzender der Integrationshilfe Passau, sagte, dass in das Beratungsbüro des Vereins viele Ratsuchende mit Problemen kämen. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, zitierte Bause die Menschenrechtserklärung von 1948. „Wir wollen in einem weltoffenen Land leben und ein menschliches Gesicht zeigen“, lautete die Botschaft des Abends.
Quelle: Passauer Neue Presse vom 14.04.2018
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