Die Marathon-Frau

PNP-Serie über die Passauer OB-Kandidaten – Heute: Stefanie Auer, Die Grünen

Wenn sie einen Raum betritt, dann fällt sie auf. Im zweiten Stock im Schöffberger, einem kleinen Café nahe des Doms, ist das nicht anders. Als sie die Treppe raufkommt, fallen sofort ihre schlohweiß gefärbten Haare auf, die ihr Gesicht einrahmen wie ein Helm. Ihr rotes Kleid und die schwarzen Strumpfhosen lassen die Frisur noch gleißender wirken, genau wie das schwarze Piercing in ihrem Lippenbändchen, das hervorblitzt, wenn sie lacht. Hier, zwischen Englisch sprechenden Studenten, Nierentischen und Prozellannippes an der Wand, wirkt die junge Frau zugleich fehl am Platz und genau richtig. Irgendwie studentisch. Das ist Stefanie Auer von den Grünen, Passaus jüngste OB-Kandidatin.

Eine waschechte Passauerin ist die 33-Jährige. Das merkt man, wenn sie spricht. Am Donnerstag stand sie bei der großen Podiumsdiskussion mit ihren sieben Kontrahenten am Rednerpult. Auer und Christa Tausch waren dabei die Einzigen, die Bairisch geredet haben. „Das ist für mich ganz normal“, sagt sie. „So reden wir hier eben.“

Ihre ganze Jugend hat sie in ihrer Geburtsstadt verbracht. Land, Stadt und Leute hätten sie damals schon so interessiert, dass sie einen Beruf ausüben wollte, in dem es um Menschen geht. Nach dem Abitur am Maristengymnasium (Leistungskurse Deutsch und Biologie) entscheidet sie sich also für den Journalismus. Erst macht sie ein Praktikum, dann das Volontariat bei der PNP.

Ein Jahr lang arbeitet sie als Redakteurin in Landau. „Irgendwann“, erzählt sie, „habe ich mich aber gefragt: Mag ich noch studieren?“ Ihre Antwort an sich selbst: ein klares „Ja!“

Ab 2009 studiert sie Rechtswissenschaften in München. Das habe viel mit dem Journalismus gemein, findet sie: „Auch da geht es ums Recherchieren, um Menschen und um Sprache. Die Sprache ist eben eine andere.“

Während des Studiums lernt sie ihren späteren Ehemann kennen, aber nicht in der Stadt, „sondern – ganz klassisch – auf einer Party“. Und zwar in Hengersberg. Beide einte von Anfang an ein Faible für die Musik, auch wenn es in diesem Fall eher seltsame Musik war: „Auf der Party lief so ein Schrottsong vom kleinen Biber. Mein Mann und ich waren die einzigen, die das kannten.“ Das „Schrottlied“ lief dann sogar bei der standesamtlichen Trauung, „die Frau Vogel war da aber sehr tolerant“.

2013 kehrt sie als fertig ausgebildete Rechtsanwältin nach Passau zurück. In einer Partei ist sie da noch nicht. Ihr politisches Engagement beginnt erst, als 2016 in Amerika das große Trump-Getöse beginnt und die Rechten in ganz Europa wieder größeren Zulauf bekommen. Da sei ihr klar geworden: „Ich muss mich engagieren.“

Nur dreieinhalb Jahre später wählen die Passauer Grünen sie zur OB-Kandidatin. „Genau das zeichnet uns aus“, findet Auer, „wer bei uns etwas bewegen will, der kann das auch tun.“ Standesdünkel und Cliquen? Fehlanzeige. Stattdessen gehe es basisdemokratisch zu. „Ich wusste ja am Tag der Nominierung noch gar nicht, dass ich aufgestellt werde“, sagt sie. „Es hätte jederzeit noch einer aufzeigen und seinen Namen ins Rennen bringen können.“

Doch das tut keiner, und plötzlich beginnt für Auer das Leben als Kandidatin – und damit der Wahlkampf. Doch für den sieht sie sich gut gerüstet. Ihre Ausdauer – „physisch und psychisch“ – bezeichnet sie als ihre größte Stärke. Das Laufen ist neben dem Lesen und Kinobesuchen ihr größtes Hobby. Doch sie belässt es nicht bei kurzen Joggingrunden. Stefanie Auer läuft Ultramarathons.

Zum Beispiel im vergangenen Jahr in Innsbruck: 65 Kilometer, 3000 Höhenmeter. „Eine Freundin, mit der ich dort gelaufen bin, hat gesagt: ,Das wird ein langer Tag!‘ Und das wurde es auch, zehn oder elf Stunden haben wir gebraucht. Aber ich habe es genossen.“

Anstrengend sei er schon, der Wahlkampf, auch der weitere Aufbau ihrer eigenen Kanzlei laufe derzeit nur „mit Handbremse“. Doch Auer mache das nichts aus: „Ich habe mir nie die Frage gestellt, ob der Aufwand es auch wert ist. Passau ist mir so wichtig, das kann man nicht gegenwiegen. Ich habe das Privileg, dass ich was für meine Stadt tun kann.“

Sie nennt Passau gerne „die Stadt der 1000 schönen Blickwinkel“, auch die Leute seien „unheimlich toll, so viele engagieren sich hier still und privat in irgendeiner Weise“.

Auch daran, dass sie ? 33 Jahre jung, Frau mit gefärbten Haaren – so gar nicht dem Klischee eines niederbayerischen Bürgermeisters entspricht, verschwende sie keine Gedanken: „Es würde mir ja auch nie einfallen, die Leute nach ihrem Aussehen und ihrer Kleidung zu beurteilen.“ Wichtig sei es vielmehr, „zuzuhören und dem anderen auf Augenhöhe zu begegnen“, egal wie man aussieht.

Das schlägt sich auch in einem ihrer großen Wünsche für Passau nieder: ein diverser, ausgeglichenerer Stadtrat. „Der Unterbau muss jünger und weiblicher sein“, fordert Auer. „Das heißt ja nicht, dass wir die Älteren und die Männer nicht brauchen, ganz und gar nicht. Aber wir brauchen alle, egal welches Alter, Geschlecht oder welchen Hintergrund sie haben. Nur so kann man auch die Themen aus vielen Blickwinkeln betrachten.“

Das Gespräch ist beendet, Auers Arbeitstag geht weiter. „Jetzt geht’s erst mal zum Gericht, da muss ich noch ein Gutachten abgeben. Dann packe ich meine Flyer aus.“ Am Abend hat sie dann mal wieder etwas Zeit für ein Hobby, ein Kinobesuch steht an, „Birds of Prey“, eine neue Comic-Verfilmung. „Da kann ich dann auch mal richtig den Kopf ausschalten.“ Sogar eine Marathon-Frau wie Stefanie Auer braucht ihre Entspannungsphasen.

STECKBRIEF

Alter: 33

Familienstand: verheiratet

Beruf: Rechtsanwältin

Hobbys: Laufen, Lesen, Kino

Lieblingsbuch: „Steppenwolf“ von Hermann Hesse und „Wilde Schafsjagd“ von Haruki Murakami

Lieblingsfilm: alles von Quentin Tarantino und Jane-Austen-Verfilmungen

Lieblingsmusik: Alternative, Indie- und Austropop

Sternzeichen: Löwe

Meine Stärke: große Ausdauer und dass ich mich nicht zu ernst nehme

Meine Schwäche: Ich brauche unbedingt genug Schlaf. Und meine Ungeduld.

Lebensmotto: Ein Zitat des verstorbenen Grünen-Vorstands Johannes Hauck: „Seid nett zueinander, lebt und lasst leben, grenzt niemanden aus, außer Nazis. Und: Wir haben nur diesen einen Planeten.“

Quelle: Passauer Neue Presse vom 17.02.2020
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