„Als wären wir Kultur zweiter Klasse“

Tauschten sich über die Kulturszene aus: (v.l.) Karl Synek, Marlies Resch, Alexandra Ossovsky, Lukas Montag, Diana Niebrügge, Stefanie Auer, Jan-Erik Taubmann und MdB Erhard Grundl. -Foto: Munzinger

Kulturschaffende diskutieren mit Grünen-MdB Erhard Grundl über Sorgen und Probleme der Branche – Kritik an Stadtpolitik

Es war der passende Ort für ein Gespräch über die aktuelle Lage der Kulturszene, an den die Grünen-Stadtratsfraktionen gestern geladen hatte: MdB Erhard Grundl, kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, schlug im Kulturcafé lieberscholli auf – das eigentlich im Januar 2021 öffnen sollte, seither aber nur sechs Wochen ab Oktober 2021 auf sein durfte – um sich die Sorgen und Probleme der Passauer Kulturschaffenden anzuhören.

An der Diskussion nahmen aus der Kultur-Branche Marlies Resch und Alexandra Ossovsky (beide Zauberberg) sowie Jan-Erik Taubmann und Lukas Montag (lieberscholli) teil, aus der Grünen-Stadtratsfraktion waren Vorsitzende Stefanie Auer sowie die Stadträte Karl Synek und Diana Niebrügge dabei.

Zum Einstieg meinte Grundl: „Man darf sich nicht einbilden, dass man alles weiß. Die Kulturbranche verändert sich rasend schnell, nicht nur wegen Corona.“ Nun, da die Grünen in der Regierung seien, „sind wir diejenigen, die ins Machen kommen müssen. Wir haben keine 100 Tage Schonfrist.“

Er betonte, dass das Förderprogramm „Neustart Kultur“ für das Jahr 2022 gesichert sei, für Details dazu sei es aber noch zu früh: „Wir basteln noch daran.“

Lukas Montag fragte den MdB, „warum Bayern in Sachen Kultur immer eine Extrawurst braten muss“ und meinte damit u.a. die besonders strengen Kapazitätsauflagen, die im Freistaat lange galten. Grundl fand deutliche Worte: „Ich bin grundsätzlich ein Freund des föderalistischen Systems. Aber die 25-Prozent-Regel war Schwachsinn. Ich bin absolut gegen eine unterschiedliche Behandlung von Kultur und Gastronomie.“ In dem Zusammenhang lobte er dennoch den scheidenden Staatsminister für Wissenschaft und Kultur, Bernd Sibler, „der einiges dafür getan hat, dass die Vorgaben geändert wurden.“ Markus Söder hingegeben habe „weder Sinn noch Verständnis für Kulturleute“.

Die Vertreter von lieberscholli und Zauberberg brachten ihre Ängste in Sachen Mindestlohn vor, der für viel höhere Preise sorgen könnte. „Ich bin für den höheren Mindestlohn“, sagte Montag, „aber wer zahlt in Passau 4 Euro für ein Helles?“ Grundl meinte, dass im Bund gerade diskutiert werde, ob und wie Kulturschaffenden in dieser Hinsicht mit Förder- bzw. Entlastungsprogrammen geholfen werden könnte.

Laut wurde vor allem Kritik an der städtischen Kulturpolitik. Taubmann berichtete davon, dass sich der Umgang der Stadt mit den Kulturschaffenden zum Schlechten gewandelt habe: „2019 haben wir mit OB Dupper eine Vereinbarung für unser Event ,Schwerelos‘ getroffen. Dann: eineinhalb Jahre Stille. Als solche Events wieder erlaubt waren, hieß es plötzlich ohne Angabe von Gründen, dass der städtische Grund für solche Veranstaltungen nicht mehr zur Verfügung stehe. Da hatten wir schon mit dem Aufbau begonnen.“

Angeblich sei der Grund für den städtischen Rückzieher „eine Unterschriftensammlung bei 20 Leuten“ gewesen, die Bedenken wegen des Lärms gehabt hätten. „Das ist das Kernproblem“, sagte Resch. „Die Beschwerden einzelner Bürger haben in Passau viel mehr Gewicht als die Kulturszene. Jeder redet immer nur vom Lärm. Da hat die Stadt das Ziel aus den Augen verloren.“ Taubmann ergänzte: „Wir werden als Störenfriede hingestellt. Als wären wir Kultur zweiter Klasse.“ Auer pflichtete ihm bei: „Es werden zu viele Hürden aufgebaut. Und Einzelne sollten keine Veranstaltungen kaputt machen können.“

Versprechungen wollte Grundl an dieser Stelle keine machen. Er sagte aber: „Kulturpolitik soll keine Hürden aufbauen, sondern Sachen möglich machen. Wir dürfen nicht vergessen, wie wichtig gesellschaftliche Zusammenkünfte sind.“ Auer ergänzte: „Vorwärts bringt uns das Gespräch mit allen Beteiligten.“

Grundl, der auch im Bundestag gerne aus der Popkultur zitiert, hatte zum Abschluss einen passenden Spruch parat: „Yoko Ono sagte einmal, das Kunst kein Substantiv ist, sondern ein Verb. Wir müssen die Macher in die Politik lassen.“

Quelle: Passauer Neue Presse vom 25.02.2022
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