vom 02.12.2019
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wie alle Städte, so ist auch die Stadt Passau ein Ort des Handels, des Wohnens, der Arbeit, der Kultur, der Kommunikation und Begegnung. Die Stadt gehört allen die in ihr leben und für den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen sind wir zuständig. Das gilt für die Gegenwart, und weil wir auch einen Anspruch an uns haben, für die Zukunft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte deshalb einige wichtige Themen für das tägliche Zusammenleben in unserer Stadt in meiner Haushalts-Rede kurz ansprechen. Das meist diskutierte Thema ist wohl der Verkehr. Den Status Quo kennen wir alle und er hat mit guter Lebensqualität für viele Bürgerinnen und Bürger wenig zu tun. Nach Überzeugung der Grünen-Fraktion muss es anders werden, wenn es besser werden soll. Entscheidend dabei wird sein, ein Gesamtkonzept für eine nachhaltige Mobilität für alle Verkehrsteilnehmer -motorisiert und nicht motorisiert- auf den Weg zu bringen.
Das vor wenigen Wochen von uns beschlossene Radkonzept, als Teil einer Lösung, wird diesem Anspruch nicht gerecht. Vor allem fehlt der Wille die verfügbare Fläche in der Stadt neu aufzuteilen. Autos haben im Durchschnitt 20mal mehr Raum zur Verfügung als Fahrräder. Sie stehen wie selbstverständlich am Straßenrand und besetzen den öffentlichen Raum zudem meist noch kostenlos. In unserer Partnerstadt Akita z.B. ist das Parken am Straßenrand grundsätzlich verboten. Nur wer einen Parkplatz nachweisen kann, darf dort ein Auto kaufen. Ich darf zu diesem Thema unseren Verkehrsminister Andi Scheuer in der PNP-Ausgabe vom 16. November zitieren: „ Radfahrer sind gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr. Sie brauchen deshalb nicht nur mehr Akzeptanz, sondern vor allem mehr Platz.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, soll alles so bleiben wie es ist? In endlosen Staus herum stehen? Runde um Runde für einen Parkplatz drehen, in Lärm und verpesteter Luft, um dann entnervt anzukommen? Ich möchte noch einmal an einige unserer Vorschläge vom Frühjahr dieses Jahres erinnern. Durch die fortschreitende Digitalisierung könnte der ÖPNV, Rufbusse, Carsharing und Mitfahrgelegenheiten jedem potenziellen Fahrgast in kürzester Zeit angezeigt werden. Wir wünschen uns einen Verkehrsverbund zwischen Stadt und Land, an dem sich der Landkreis finanziell auch angemessen beteiligt. Für LKW`s wird die Durchfahrt von Passau gesperrt. An den Bundesstraßen werden statt Überholspuren Fahrradwege gebaut. Der Wirtschaftsverkehr in der Stadt wird neu strukturiert, das heißt: von Zentrallagern werden die Waren mittels E-Autos bzw. E-Rädern ausgeliefert. Die Stadtwerke stellen ihre Busflotte auf Elektro- oder Brennstoffzellenbusse um und die Stadt geht in Sachen E-Mobilität mit gutem Beispiel voran.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele von euch werden jetzt vielleicht so denken, wie es die Bundeskanzlerin heuer einmal formuliert hat: „Politik ist das was möglich ist“. Dieser subjektive Ansatz ist ohne Mut. Gute Politik sollte vor allem das sein, „was nötig und vernünftig ist“. Ich finde es deshalb gut, dass junge Menschen der Politik ordentlich Dampf machen. Die Proteste, auch in Passau, haben die Klimadebatte binnen weniger Monate fundamental verändert und den Klimaschutz – endlich – , muss ich sagen, zu einem absoluten Topthema gemacht. Für diesen Rückenwind bin ich den jungen Leuten dankbar. Die Stadt Passau und der Stadtrat sollten deshalb weiterhin das Gespräch mit den jungen Menschen suchen und deren Anregungen aufnehmen, um auch in Passau gemeinsam noch mehr für den Klimaschutz zu bewegen.
Die Stadt Passau muss Zukunftschancen für alle Menschen sicher stellen. Das gilt für ein weiteres Thema in besonderer Weise. Es geht um die Arbeitsplätze in unserer Stadt. Die gerne verkündete Erfolgsmeldung: wir haben wieder so und so viel mehr Arbeitsplätze als im vorigen Jahr, kann ich nicht widerspruchslos nachvollziehen. Mehr Arbeitsplätze bedeuten nämlich in der Regel noch mehr Einpendler, also noch mehr Verkehrsbelastung und gegebenenfalls auch noch mehr Enge auf dem Wohnungsmarkt. Für mich persönlich ist es deshalb viel wichtiger, wenn wir die Arbeitslosenquote stetig verringern, am liebsten hätte ich Vollbeschäftigung in der Stadt und neue Arbeitsplätze dort, wo die Menschen wohnen. Deshalb muss auch hier die Stadt weitere Anstrengungen unternehmen, die Sicherung der hohen Arbeitsplatzquote mit modernen Verkehrslenkungsmaßnahmen, dem Ausbau des ÖPNV und weiterer Investitionen in den bezahlbaren Wohnungsmarkt zu verbinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir bei diesem Thema einmal über die nächsten Jahre hinaus und versuchen wir die Stadtentwicklung vielleicht bis ins Jahr 2040 zu überblicken. Die digitale Industrialisierung 4.0 wirft bereits ihre Schatten voraus. Nicht wenige Fachleute und Zukunftsforscher rechnen mit einem Arbeitsplatzverlust von bis zu 40 % zum jetzigen Stand. Nehmen wir an, es kommt nur halb so schlimm und es fallen nur 20 % der Arbeitsplätze weg. Das sind dann nicht nur die Supermarktkassiererin, oder der LkW- und Taxifahrer, sondern es wird auch viele Büroarbeitsplätze in Behörden, Verwaltungen und im Handel betreffen.
Ich bin kein Freund des bedingungslosen Grundeinkommens, aber es wird wohl kommen. Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen, erzähle ich das alles? Diese industrielle Revolution 4.0 wird ganz sicher die Gesellschaft verändern, auch in Passau, und darauf müssen wir vorbereitet sein. Von den vielen Menschen ohne Arbeit mit einem Grundeinkommen wird sich ein Teil hoffentlich ehrenamtlich bei Vereinen oder der Feuerwehr engagieren und ein weiterer Teil wird vielleicht die Freizeit und Kulturangebote verstärkt nutzen. Der größere Teil wird allerdings keine besonderen Aktivitäten entfalten und an diese Leute müssen wir schon heute denken.
Wir brauchen schon heute und erst recht in der Zukunft Kommunikationstreffpunkte sowohl in den Stadtteilen als auch in der Stadtmitte. Wie wir diesen zentralen Treffpunkt nennen, ob Bürgerhaus, Familienzentrum oder Haus der Generationen, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass es allen offen steht und diverse Angebote zur Verfügung stehen und es ein offenes Haus der Begegnung wird, das von jung und alt, von Familien bis Senioren besucht wird. Der Kinderschutzbund benötigt dringend Räume. Wir kennen alle die untragbaren Zustände in der Schießgrabengasse. Und auch der Seniorenbeirat muss mit seinen Angeboten und Veranstaltungen wieder zurück ins Zentrum, in die Mitte der Gesellschaft. Mit so einem Haus, das bei einem Neubau durchaus ein architektonisches Ausrufezeichen setzen sollte, würden wir im wahrsten Sinne des Wortes die Zukunft gestalten. Wir vergessen dabei nicht die großartige ehrenamtliche Arbeit, die in den Stadtteilen geleistet wird, von Altenclubs und Seniorenvereinen und vielen Initiativen. Diese Arbeit weiterhin noch stärker zu unterstützen, ist unser Ziel. Denn seien wir ehrlich, im Vergleich dazu gehört das Anlegen von Kunstrasenplätzen und Kreisverkehren eher in die Rubrik verwalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich jetzt noch die typisch grünen Ansichten für unsere Stadtentwicklung anspreche, so sprechen manche von euch sofort von einer Ideologie, der wir nachhängen. Aber ist es umgekehrt nicht auch ideologisch z.B. nur Arbeitsplätze und Investitionen oder Innovationen zu propagieren? Ideologen sind immer die anderen und diese Ansicht macht eine Zusammenarbeit nicht einfacher. Wenn wir für Passau also den Erhalt von Grünflächen, der Bäume, der Innpromenade und des öffentlichen Raums im allgemeinen fordern, so fordern wir nichts anderes als eine ökologische, soziale und nachhaltige Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger in Passau.
Wir wollen die Menschen im öffentlichen Raum nicht beobachten und damit versuchen dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu entsprechen. Selbstverständlich mag es in einem angemessenen Umfange auch wichtig sein, wie z. B. am ZOB, aber es ist nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist: Warum halten sich Menschen denn dort auf? Es ist auch ein Beitrag zur Sicherheit, wenn wir passende Angebote für diese Menschen schaffen bzw. eben Räume schaffen ohne Konsumpflicht und mit mehr Sozialarbeitern, statt in Kameras zu investieren.
Auch unsere Stadtgesellschaft wird älter und vielfältiger bei gleichzeitiger notwendiger Innenverdichtung. Das verändert die Anforderungen an die öffentlichen Freiräume und an das urbane Grün. Das kommunale Grün darf kein Kostenfaktor sein, sondern es ist in Zeiten des Klimawandels ein unverzichtbares Stück Natur in unserer Stadt. Der Lärm und die schlechte Luft zwingen uns zu einer Verkehrswende mit dem Ziel einer Verringerung und Entschleunigung des Autoverkehrs. Der grüne Lösungsansatz geht hin zu einem funktionierendem Park and Ride bzw. Park and Bike – System. Dazu gehört ein dichter Bustakt und ein Sondertarif. Dieser Umbruch in der Verkehrspolitik stößt sofort auf „oh, das ist schwierig“, oder „ja, aber“. Vernünftig wäre es aber, nicht gegenseitig mit dem Finger aufeinander zu zeigen, weil wir uns doch alle in einem Suchprozess befinden. Auch wir wollen keine Politik gegen, sondern mit den Menschen machen.
Wir setzen auf den Handel mit regionalen Produkten und wir sehen die Stadt auf dem richtigen Weg, wenn wir das soziale Miteinander ansprechen. Veranstaltungen wie z. B. die Kunst- und Kulturnacht, das Impulsfestival, die Seniorenschifffahrt oder das herrliche Kinderfest im Bschüttpark fördern das Zusammenleben der Stadtgesellschaft in hervorragender Weise. Eine besonders erfreuliche Beschlussvorlage für den morgigen Stadtentwicklungsausschuss möchte ich hier noch erwähnen. Es geht darin um einen so genannten Baulandbeschluss, der genau in diesem Raum von mir am 03.12.2012 in meiner Haushalts-Rede gefordert worden war. Von einer Stadtratskollegin wurde ich damals deshalb übrigens als Kommunist bezeichnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wird es aber Zeit, endlich zur Bewertung des vorliegenden HH-Plans für 2020 zu kommen, werden einige von euch denken. Das will ich gerne machen und gleich darauf hinweisen, dass ich dem HH-Plan für das nächste Jahr in Abstimmung mit der Grünen Fraktion zustimmen werde. Der Verwaltungshaushalt läuft seit Jahren in gewohnt ruhigen Bahnen. Über den hohen Schuldenstand, den niedrigen Schuldendienst und die etwas unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen habe ich in den vergangen Jahren ausführlich geredet. Im Vermögenshaushalt würden wir zwar andere Schwerpunkte setzen und da verweise ich auf die eingangs erwähnten Ziele meiner Partei, aber das ist kein Grund die Zustimmung zu verweigern. Erfreulich ist die Schwerpunktsetzung in Sachen Radverkehr, ÖPNV und Klimapaket, wo jeweils 1 Mio Euro vorgesehen sind. Die finanzielle Entwicklung der Stadt verläuft insgesamt zufriedenstellend.
Natürlich gibt es aber auch noch die eine oder andere schwierige Baustelle. Schon vor sechs Jahren habe ich auf die sich abzeichnenden finanziellen Probleme bei den Stadtwerken hingewiesen. Hier wäre ein Schuldenabbau dringend notwendig. Zu hoffen ist außerdem, dass der Querverbund von Gas, Strom, Wasser und auf der anderen Seite Bad und ÖPNV weiter Bestand hat, denn sonst wird es schwierig. Noch keine Sorgen mache ich mir um das Klinikum, das allerdings ganz neue Herausforderungen zu meistern hat. Wir unterstützen alle Anstrengungen, die das Ziel einer Uniklinik Niederbayern und einer medizinischen Fakultät zum Ziel haben. Bei den Beteiligungen am Berufsschulzweckverband und am Zweckverband Landestheater Niederbayern hoffe ich auf keine bösen Überraschungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die soliden finanziellen Grundlagen sind eine der Voraussetzungen für eine gute Stadtpolitik. Wir Grünen empfinden das Wort Kompromiss nicht als Schimpfwort, wir können allerdings keine Kompromisse eingehen über die Richtung, in die wir gehen. Es muss doch möglich sein, auch extrem scheinende Ideen zu formulieren um am Ende der Verhandlungen nicht sehr weit von seinem eigenen Ziel zu landen. Leider ist es manchmal der Tonfall hier im Gremium in dem Inhalte abgebügelt und Kollegen abgewatscht werden, der kontroverse Ideen nicht zulässt. Zynismus ist in keinem Fall ein Ausdruck intellektuell überlegener Haltung. In so mancher Stadtratssitzung denke ich an zwei Sprüche von Gerhard Polt: „Wir brauchen nicht zu reden, weil wir deine Irrtümer schon kennen“ und „Wir müssen nicht überzeugen, weil wir schon die Mehrheit sind“.
Abschließend möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei den Referaten und Dienststellen und insbesondere bei der Kämmerei für die fundierte Haushaltsplanung herzlich bedanken. Wir Grünen würden uns freuen, wenn aus manch Nebeneinander im Stadtrat ein Zusammenwirken und daraus ein echter Zusammenhalt zum Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger, über die Parteigrenzen hinweg, entstehen würde.
Karl Synek (Fraktionsvorsitzender)
– es gilt das gesprochene Wort –