Haushaltsrede 2018

Haushaltsrede für 2019

am 03.12.2018

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich kenne noch die Zeit, da haben die Haushaltsberatungen drei ganze Nachmittage gedauert. Da wurden viele Posten im Verwaltungshaushalt angesprochen und im Vermögenshaushalt wurde heftig das Für und Wider einer Investition diskutiert. Diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen dauert die so genannte HH-Beratung nur noch eine ¾ Stunde und wenn Herr Denk im nächsten Jahr den Vorbericht zum Haushalt nicht mehr vorliest, dann schaffen wir die Haushaltsberatung in drei Minuten.

Beschlussvorschlag – Abstimmung – fertig.

Warum ist das so?

Liegt es an der im Vergleich zu früheren Jahren viel besseren Arbeit der Verwaltung?
Oder liegt es an dem mangelnden Interesse der Mitglieder im Finanzausschuss?

Mir scheint es liegt an etwas anderem. Theoretisch hat der Finanzausschuss darüber zu entscheiden, wieviel Geld für bestimmte Zwecke im nächsten Jahr ausgegeben werden soll und welche Posten in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen sind. In der Praxis schaut das aber ganz anders aus und ich möchte das an dem Beispiel der zwei Kunstrasenplätze für das Jahr 2019 erläutern.

Irgendwann im Laufe eines Jahres, die Steuereinnahmen sind höher als geplant, schlägt die Verwaltung dem Sportausschuss vor, zwei Kunstrasenplätze für die Vereine A und B zu bauen. Die Mitglieder des Sportausschusses sind natürlich dafür und im Endeffekt stimmen auch die Mitglieder des FinA zu, weil die Sache ist ja schon öffentlich und niemand will den schwarzen Peter haben.
Dabei hätte es durchaus Sinn gemacht, die Mehreinnahmen vor der Verteilung unter folgendem Aspekt im FinA zu diskutieren: Wieviel Geld haben wir für das nächste Jahr voraussichtlich zusätzlich zur Verfügung? Bezogen auf die beiden Fußballplätze heißt das:

–          Reicht vorläufig ein Platz für den Verein A aus und wir ertüchtigen mit dem verbliebenen Geld eine andere Sportanlage?

–          Gibt es in der Stadt eventuell Wichtigeres zu finanzieren als zwei Kunstrasenplätze?

–          Sind die Vereine A und B die richtigen, oder hat der Verein C mehr Anspruch?

–          Welche größere Investitionsvorhaben schlagen die einzelnen Parteien vor, die bisher nicht in der mittelfristigen Finanzplanung auftauchen?

Eine solche Diskussion im nichtöffentlichen Teil, welche ich schon vor zwei Jahren hier an gleicher Stelle angesprochen habe, würde ich mir wünschen und wenn dann das Ergebnis zwei Kunstrasenplätze für die Vereine A und B sind, dann soll es so sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns nicht kleiner als wir sind und bringen wir uns mehr in die Entscheidungsprozesse ein. Wenn es so gemacht werden würde, dann würde auch eine ¾ Stunde 14 Tage vor dem HH-Plenum zur Beratung ausreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum wurden wir von den Bürgerinnen und Bürgern Passaus vor fünf Jahren als ihre Vertreter gewählt? Ganz sicher nicht, um irgendwelche Einzelinteressen durchzusetzen, sondern um die Lebensqualität in Passau entweder zu bewahren oder aber, wenn möglich, zu verbessern. Was aber sind die Grundlagen und Voraussetzungen für die zukünftige Lebensqualität in einer so schönen Stadt wie Passau?

Ganz einfach gesagt: Die Bürgerinnen und Bürger wollen sich sicher und frei in der Stadt bewegen. Sie wollen angemessen wohnen, ein gutes Gesundheitsnetz vorfinden, ihre Freizeit vielfältig gestalten und den nachfolgenden Generationen eine in vielerlei Hinsicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Stadt hinterlassen. Wie in fast allen Städten stellen sich auch in Passau für uns zwei zentrale Zukunftsaufgaben. Zum ersten handelt es sich um die Ansprüche der Menschen und der Wirtschaft an die Mobilität und zum zweiten um die Polarisierung auf dem Wohnungsmarkt.

Die Ursache für diese beiden Problemfelder liegt vor allem an der hohen Attraktivität der Stadt als Wirtschaftsstandort und als Wohnsitz. So haben die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse innerhalb der letzten 10 Jahre um 20 % auf zur Zeit 38.500 zugenommen. Als Folge davon haben wir in der Zwischenzeit täglich 25.000 Einpendler. Seit 2014 werden jedes Jahr ca. 350 Wohnungen neu gebaut und schon heute können wir sagen, dass in den nächsten fünf Jahren mindestens 1.000 neue Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich in der Stadt geschaffen werden und zusätzlich über 2.000 Studierende kommen, die den Wohnungsmarkt und unsere Straßen belasten werden. Zugleich legt die erfolgreiche Vernetzung von Universität, Wirtschaft und Stadt das Fundament für eine gute regionale Entwicklung, für künftige Jobs und hochqualifizierte Arbeitskräfte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Es muss also schon die Frage erlaubt sein, ob jedes Wachstum die Lebensqualität in unserer Stadt automatisch steigert. Ich erinnere mich da an so manche Wortmeldung aus der CSU-Fraktion, die für das unbedingte Ausweisen von neuen Gewerbegebietsflächen im Stadtgebiet plädiert. Selbstverständlich werden zugleich auch noch neue Wohnbaugebiete eingefordert und auf die Dringlichkeit von neuen Straßen wird verwiesen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kennen doch unsere Stadt und deshalb sollten wir uns auch über deren beschränkte Ressourcen im Klaren sein. Auf dem Wohnungsmarkt findet schon jetzt eine Polarisierung statt. Die Wohlhabenden weiten ihren Flächenkonsum aus, während am anderen Ende der Sozialskala sich die Wohnsituation verschlechtert. Unser Bestreben muss es sein, die Stadt für alle sozialen Gruppen offen zu halten, das heißt, wenn neue Baugebiete, dann in erster Linie für den Geschosswohnungsbau und den sozialen Wohnungsbau. Immer mehr Beton und Asphalt verwandeln unsere Stadt im Sommer zu einem Hitzespeicher und die zunehmend heftigen Regenfälle bringen die Abwassersysteme an ihre Grenze.

Es gibt gute Gründe, sparsam und sorgfältig mit dem kostbaren und sehr teuren Grund und Boden umzugehen. Was die Bodenpreise generell betrifft, so ist hier eine Bodenreform schon seit vielen Jahren überfällig. Es kann und darf nicht sein, dass wir als Kommune die Lasten der Infrastruktur alleine leisten und der entstandene Bodenveräußerungsgewinn beim Verkäufer der Grundstücks zu 100 % verbleibt. In diesem Zusammenhang bedauere ich übrigens das Nichtzustandekommen einer Koalition in Bayern mit uns Grünen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die steigenden Grundstücks- und Mietpreise sind allerdings nicht das einzige Problem des von einigen so sehr gewünschten Wachstums. Eine weitere Folge sind die wachsenden Pendlerströme, mehr Wirtschaftsverkehr und mehr Freizeitverkehr. Mehr Dienstleistungsarbeitsplätze verursachen mehr Autoverkehr  und  der Online-Handel bringt mehr Kurierdienste mit Kleintransportern. Die Zukunft liegt deshalb bei der Mobilität in einem Mix an Verkehrsmitteln. Die Erfordernisse von Umweltschutz und Lärmschutz, die Bedürfnisse von Pendlern und Wirtschaft müssen wir auf einen Nenner bringen. Individualverkehr und öffentlicher Verkehr sollten wir in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander entwickeln – nicht konkurrierend, sondern komplementär. Radfahrer und Fußgänger brauchen mehr Anteile an den vorhanden Verkehrsflächen. Wir Grünen haben aus diesem Grund ein Verkehrskonzept vorgeschlagen, nachzulesen in der PNP vom 31. März. diesen Jahres, welches uns hilft, die Mobilität in Passau besser zu organisieren.
Die Forderung nach immer mehr Wachstum im Bereich Arbeitsplätze, Gewerbe- und Wohnungsbau ist also immer zu hinterfragen: Verbessert sich damit die Lebensqualität für unsere Bürgerinnen und Bürger? Stellen wir die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt unserer Planungen und haben wir gleichermaßen die zukünftigen Generationen im Blick?

Mit dieser Frage sind wir jedes Jahr konfrontiert, wenn es um den Schuldenstand unserer Stadt geht. Seit mehreren Jahren tilgen wir unsere Schulden um 1,7 Mio € jährlich. Heuer veranschlagen wir für das Jahr 2019 erfreuliche 3,2 Mio €. Das ist der guten finanziellen Entwicklung geschuldet, ist aber leider immer noch um etwa 2,8 Mio € weniger als es finanzwirtschaftlich sinnvoll wäre. Bei einer Abschreibungsdauer-typischen Investition von 4 % wäre die notwendige Schuldentilgung nämlich 6 Mio € bezogen auf den Gesamtschuldenstand.
Dass wir uns da schwer tun hat seinen Grund. Seit Jahren liegt die Finanzkraft, das ist die Summe der Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen, unter der von vergleichbaren bayerischen Städten. Würden wir hier den Landesdurchschnitt erreichen, so könnten wir auch ohne Probleme jedes Jahr 6 Mio € Schulden tilgen.

Nicht unerwähnt sollte an dieser Stelle bleiben, dass es noch die Verpflichtung beim Berufschulzweckverband gibt. Über die Verbandsumlage fallen praktisch ca. 13 Mio € Schulden auf uns zurück und ich gehe davon aus, dass sich dieser Betrag im nächsten Jahr nicht unerheblich erhöhen wird.

Und weil ich schon bei meinen Sorgen bin, möchte ich nur kurz erwähnen, dass mir die Hl. Geist–Stiftung von Sitzung zu Sitzung mehr zu denken gibt. Als Außenstehender beobachte ich die Entwicklung des städtischen Klinikums und ich kann nicht glauben, dass die Arbeitszufriedenheit dort an 300 € mehr oder weniger für einige Ärzte ausschlaggebend sein soll, wie es in der Presse stand. Die Ertrags- und Vermögenslage ist ja gut im Klinikum, aber das ist nicht alles.

Ein besonderes Augenmerk gilt es auf die Entwicklung der Stadtwerke zu legen. Hier sind die Schulden im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen. Da stellt sich schon die Frage, ob die Mutter Stadt ihrer Tochter nicht die eine oder andere Last abnehmen kann. Vor allem dann, wenn von Seiten der Bürgerschaft immer mehr kostenintensive Leistungen von den Stadtwerken verlangt werden.

Im vorliegenden HH-Plan für das Jahr 2019 gibt es einige Ausgaben, welche wir Grünen nicht richtig finden. Als Beispiel nenne ich hier die rund 200.000 € für mehr gefühlte Sicherheit im Klostergarten. Die Videoüberwachung dort wird mit der angeblichen Tatsache eines Kriminalitätsschwerpunktes begründet. Eigenartigerweise hat der hiesige Polizeisprecher vor vier Wochen öffentlich das genaue Gegenteil erklärt. Zitat: „In Passau gibt es keinen Kriminalitätsschwerpunkt.“ Alle Beteiligten wissen, eine präventive Videoüberwachung ist nicht zulässig. Diese 200.000 € hätten wir uns sparen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir nach vorne und denken wir an den Hochwasserschutz in Hals, über den wir nächstes Jahr zu entscheiden haben. Das ist weniger eine Frage des Geldes, als vielmehr die einer Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Bürgerinnen und Bürger verlangen immer mehr Mitsprache bei den sie betreffenden Entscheidungsprozessen. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, wir sollten mehr Demokratie wagen und im ehemaligen Gemeindegebiet Hals dazu eine schriftliche Bürgerbefragung durchführen.

Spannend für uns dürfte sein, wie der Freistaat in Zukunft für eine Kommune wie die Stadt Passau einen finanziellen Ausgleich bei den Straßenausbaubeiträgen und bei der Beitragsfreiheit für die Kindertagsbetreuung macht. Hier pochen wir hoffentlich parteiübergreifend auf das Konnexitätsprinzip und wir erwarten eine volle Kostenübernahme auf Dauer. Das gleiche gilt auch für die Digitalisierungskosten in den Schulen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Politik ist die Kunst des Kompromisses. Niemand sollte sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnen, sondern anerkennen, dass das Gegenüber, aus dessen Sicht heraus, ebenfalls Recht haben könnte. Die Anerkennung des Anderen, die Selbsterkenntnis, man könnte selbst falsch liegen, man könnte sich irren, führt zum Kompromiss. Das Miteinander muss uns gelingen über soziale, ethische und religiöse Hintergründe hinweg. Dann ist unsere Stadt eine lebenswerte Gemeinschaft.

Die Fraktion der Grünen bedankt sich bei allen Mitarbeitern und Verantwortlichen die diesen HH-Plan erstellt haben und wir stimmen diesem zu.

Karl Synek
(Fraktionsvorsitzender)

 

 

 

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