Für Agrarwende im Schneetreiben auf die Straße gegangen

Für mehr Ökolandwirtschaft und Insektenschutz demonstrierten 500 Teilnehmer unter dem Motto "Wir haben es satt" auf der Auftaktveranstaltung im Klostergarten. -Fotos: Wildfeuer

500 bei der Demo „Wir haben es satt“ fordern ökologische Landwirtschaft und mehr Schutz für Insekten – Volksbegehren „Rettet die Bienen“ erläutert

Für eine Agrarwende, gerechte und ökologische Landwirtschaft, den Erhalt der Lebensgrundlagen, mehr Artenschutz und gegen Agrarfabriken: Unter dem Motto „Wir haben es satt – auch in Niederbayern“ sind am Samstag 500 Teilnehmer auf die Straße gegangen, weniger als erwartet.

Die Sambagruppe von Jürgen Schwenkglenks ließ sich vom Schneetreiben nicht abhalten und trommelte für eine andere Agrarpolitik. Das Sextett der Dorfbacher Bläser gab mit Blasmusik den Auftakt. „Wir brauchen eine Agrarwende und eine konsequente Klimapolitik“, sagte Kreisrätin und Initiatorin Halo Saibold, die unter den Demonstranten auch Professor Robert Klugseder von der Uni Wien ausmachte. Seit der Demo vor einem Jahr mit 2000 Teilnehmern in Passau habe sich nicht viel geändert – außer dass „die Marionetten ausgewechselt“ worden seien und jetzt zwei Frauen als Landwirtschaftsministerinnen am Ruder sind.

Kuhfladen-Rettung forderten Biobauern, die mit Traktoren kamen.
Kuhfladen-Rettung forderten Biobauern, die mit Traktoren kamen.

Halo Saibold forderte mehr Unterstützung für kleine und mittlere Bauernhöfe, artgerechte Tierhaltung, eine Ende der Dumpingpreise und gerechten Welthandel, gesundes Essen für alle und den Schutz der Lebensgrundlagen. MdL Rosi Steinberger erinnerte an das 1962 erschienene Buch „Der stumme Frühling“ von Rachel Carson, das beschreibe wie Vögel durch den Einsatz von Pestiziden sterben. Es sei aktueller denn je. Sie riet, das Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ zu unterstützen.

Bund-Naturschutz-Kreischef Karl Haberzettl lud zu einer Gedenkminute für den verstorbenen Natur- und Umweltschützer Horst Stern und begrüßte Robert Schnellhammer, Chef des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Er kritisierte, dass landwirtschaftliche Produkte auf dem Weltmarkt verramscht würden, und forderte eine „echte“ Agrarreform. Pauschale Flächenprämien seien abzuschaffen. In Bayern schlossen in den letzten acht Jahren 13860 Höfe. Es müsse Geld für den Erhalt bäuerlicher Landwirtschaft geben, für Tierschutz und Artenvielfalt. Man müsse weg von Überdingung und Pestizideinsatz. „Ich krieg den Koller, wenn der örtliche BBV-Vertreter nichts Verwerfliches daran findet, dass wir für den Weltmarkt produzieren“, sagte Haberzettl in Anlehnung ein Demo-Schild von 2018. In Deutschland würden nur noch die edelsten Teile der Tiere gegessen. Haut und Knochen würden nach Afrika geliefert, wo viele Familien dadurch brotlos würden. Das Beispiel Milch zeige, dass die Bauern mit den Weltmarktpreisen nur mithalten können, wenn sie möglichst billig und viel produzieren, was wiederum zu fallenden Preisen führt, ein Teufelskreis.

Haberzettl monierte, dass der BBV den Wegfall des Erschwernis-Ausgleichs für Bauern in benachteiligten Gebieten nicht verhindert habe. Dies treffe auch Landwirte im Raum Passau. Im Landkreis Freyung-Grafenau falle sogar eine Million Euro an Fördergeldern weg. Er ziehe aber den Hut vor den BBV-Funktionären dort, die „ehrliche“ Verbandspolitik von Bauern für Bauern und ihre Lebensgrundlage, den Boden machten. Er rief auf, zur Europa-Wahl zu gehen, da die Weichen für eine gemeinsame EU-Agrarpolitik gestellt würden.

Auch die Imker wollten eine ökologische Agrarwende, sagte Günter Kunkel, Vorsitzender des Bienenzuchtvereins Passau. Bereits 75 Prozent der Insekten seien verschwunden. Erst verhungerten die Bienen, dann der Mensch, warnte er. Er benötige die Bienen zum Überleben. Wild- und Honigbienen würden 80 Prozent der heimischen Pflanzen bestäuben. Es müsse mehr für den Schutz der Bienen getan werden. Wiesen würden heuer fünf bis sechs Mal im Jahr gemäht. Da blühe keine Blume mehr. Dies seien für Bienen grüne Wüsten. Auf den Feldern komme Glyphosat zum Einsatz, das alle blühenden Ackerbegleitkräuter töte. Der flächendeckende Einsatz von Pestiziden und anderer Gifte führe zum schleichenden Tod ganzer Bienenvölker. Dies betreffe vor allem Wildbienen.

Unter Sambaklängen zogen die Teilnehmer vom Klostergarten durch die Fußgängerzone zum Rathausplatz. „Wir sind hier. Wir sind laut. Weil ihr uns unsre Zukunft klaut“, skandierten junge Leute. Das Volksbegehren „Artenvielfalt“ richte sich nicht gegen die Bauern sondern die falsche Agrarpolitik, sagte Biobauer Alois Aigner. Ökolandbau sei leistungsfähig. Der Betriebsgewinn sei hier um 20 Prozent höher als im konventionellen Sektor. Er verstehe daher nicht, warum der Bauernverband gegen eine Steigerung des Öko-Landbaus um 30 Prozent ist, wie es das Volksbegehren fordert.

Sepp Rottenaicher, ehemaliger Umweltbeauftragter der Diözese Passau und Landwirt, forderte eine enkelverträgliche Politik. Er erinnerte an die Enzyklika „Laudato Si – über die Sorge um das gemeinsame Haus“ von Papst Franziskus, der aufzeige, dass der gegenwärtige Lebensstil nur in Katastrophen enden kann, wie es bereits in einigen Regionen geschieht. Er trete für eine ganzheitliche Ökologie, die Unterstützung der Kleinproduzenten, eine Kirche mit einer Spiritualität von Genügsamkeit und Demut ein. Ein Weiterso verbiete sich.

Stellvertretende ÖDP-Landeschefin Agnes Becker warb für ein besseres Naturschutzgesetz und bat, sich für das Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ vom 31. Januar bis 13 Februar im Rathaus einzutragen.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 28.01.2019
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