Schuberl: Entscheidungen „nicht im Hinterzimmer der Staatskanzlei“

FDP, SPD und die Grünen wollen Parlament stärken

Toni Schuberl, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, erklärt im PNP-Interview, warum auch in Ausnahmesituationen wie der Corona-Krise das Parlament stärker in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden muss.

FDP, SPD und auch die Grünen wollen der Staatsregierung die Möglichkeit nehmen, in einer Notsituation einfach per Rechtsverordnung zu regieren – etwa in der Corona-Krise. Warum?
Schuberl: Das Corona-Maßnahmengesetz soll weiterhin ein schnelles Reagieren durch Rechtsverordnungen der Staatsregierung ermöglichen. Diese sollen jedoch eine Genehmigung durch den Landtag benötigen. Der Grundsatz ist, dass Einschränkungen von Grundrechten im Kern durch die Volksvertretung beschlossen werden müssen. Das ging nun in der ersten Phase kurzfristig auch aufgrund einer allgemeinen Generalklausel, jetzt müssen die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen durch ein Parlamentsgesetz festgelegt werden. Dies gibt Rechtssicherheit, bringt Transparenz und ist auch eine gute Vorbereitung – falls es wieder schnelle Maßnahmen bei einer möglichen zweiten Welle braucht.

Die Mehrheit im Landtag haben CSU und Freie Wähler, sie stellen die Staatsregierung. Am Ende dürfte das Ergebnis also dasselbe sein, oder?
Schuberl: Es macht einen großen Unterschied. Teilweise scheint es ja, dass nicht einmal alle Minister vorab wussten, was der Ministerpräsident an Maßnahmen verkünden wird. Erst recht wurden die Fraktionen nicht frühzeitig eingebunden. Der Landtag besteht aus 205 Abgeordneten aus allen Bereichen des Landes und verschiedensten Schichten und politischen Richtungen. Dort werden die Interessen des bayerischen Volkes gebündelt und vertreten. Er ist der richtige Ort, an dem die stärksten Einschränkungen von Grundrechten diskutiert und beschlossen werden müssen – nicht das Hinterzimmer der Staatskanzlei. Das Ergebnis würde auch ein anderes sein.
Würden Sie davon sprechen, dass die Staatsregierung ihre Möglichkeiten in der Corona-Krise missbraucht hat? Oder geht es Ihnen – angesichts der vielen Verschwörungstheoretiker – eher um demokratietheoretische Erwägungen?
Schuberl: Die Staatsregierung musste schnell und entschlossen handeln. Und das hat sie getan. Der Landtag und auch die Gerichte haben vielfach bestätigt, dass in einer akuten Situation auch kurzfristige Maßnahmen ohne den Landtag möglich sind. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat jedoch auch ganz deutlich gemacht, dass dies für mittel- und langfristige Maßnahmen nicht gilt. Da ist der Gesetzesvorbehalt und der Vorrang des Parlaments zu beachten. Dies hat auch ganz praktische Auswirkungen, da Transparenz, offene Diskussion aller Aspekte und die detaillierte Beachtung aller Interessen bei den Bürgerinnen und Bürgern für mehr Vertrauen sorgen und auch so manche Widersprüche, unbilligen Härten oder unsinnigen Regelungen vermieden werden können. Ein Verkünden von Entscheidungen, die nur die Staatsregierung mit sich selbst besprochen hat und deren Hintergründe im Verborgenen bleiben, ist in der jetzigen Phase nicht mehr richtig.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 25.05.2020
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