30.10.2007 – PNP, Lokalteil Passau Stadt
Wo die Unzufriedenen versammelt sind
Und derer gibt es nach Meinung der Grünen viele: Träger erhofft mindestens fünf Sitze im Stadtrat
von Thomas Seider
„Passau braucht ein besseres Klima“ – unter diesem Motto haben die Grünen gestern Abend ihre Liste für die Stadtratswahl aufgestellt. Wie der Satz gemeint ist, erklärte OB-Kandidatin Erika Träger: Zum einen Teil durchaus im Wortsinn, weil die Grünen in der derzeitigen Stadtpolitik die Umwelt zu wenig berücksichtigt sehen. Ein besseres Klima hätten aber auch die Bürger verdient, die jeder Möglichkeit zur Einflussnahme beraubt verfolgen müssten, was ihrem geliebten Stadtbild angetan werde. Und auch die Stadtverwaltung brauche eine Klimaverbesserung, weil im Rathaus zunehmend Dienst nach Vorschrift geleistet werde, da eigenständige und phantasievolle Arbeit nicht gefragt sei.
Solche Worte kamen nicht nur von der Bewerberin fürs OB-Amt, auch von den Stadtratskandidaten stellten viele in kurzen Eigenpräsentationen heraus, die Unzufriedenheit mit der Stadtpolitik und die Ohnmächtigkeit gegenüber dem Tun der Stadtoberen hätten sie zur Kandidatur geführt.
In 14 Wahlgängen während zweieinhalb Stunden segnete die Aufstellungsversammlung unter Leitung von MdL Eike Hallitzky exakt den Vorschlag für die Grünen-Liste ab, den die Vorstandschaft um Kreisvorsitzenden Boris Burkert vorbereitet hatte. Abstimmen durften nicht nur Grünen-Mitglieder, sondern auch parteifreie Freunde – gehört doch mehr als die Hälfte der Kandidaten nicht der Partei an. Knapp 60 Teilnehmer, darunter 40 Wahlberechtigte aus dem Stadtgebiet, füllten den kleinen Saal im Alten Bräuhaus. Das war ein Zulauf, wie die Grünen ihn selten jemals bei einer Aufstellungsversammlung hatten. Erika Träger wertete den Abend als so hervorragend, dass sie ihr Ziel „vier Stadtrats-Sitze plus x“ auf „fünf Sitze plus x“ ausbaute. Derzeit haben die Grünen nur zwei Stadträte.
Der Gepflogenheit der Grünen entsprechend tritt die OB-Kandidatin nur auf Platz 2 an, während Karl Synek die Liste anführt. Geschuldet ist das dem Grundsatz, die Listenplätze im Reißverschluss-System zwischen männlichen und weiblichen Bewerbern zu besetzen. Auf mittleren und hinteren Plätzen wird das System teils durchbrochen, weil bei Grünen im Gegensatz zu allen anderen Parteien mehr Frauen als Männer kandidieren.
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LINKS OBEN – Der Kommentar
Ernten, wo Zankl gesät hat
von Thomas Seider
Mit ihrer Kandidaten-Liste brauchen sich die Grünen nicht zu verstecken. Die Ausgewogenheit von Alt und Jung, von Männern und Frauen, von verschiedenen Interessen, wie sie die bisher schon aufgestellten Listen von CSU, SPD und ödp für sich reklamieren, erfüllen sie nicht minder. Und einige bekanntere Namen haben sie ebenfalls zu bieten.
Im Fall der Grünen ist auch das Quantitative der Aufstellungsversammlung zu betrachten. Bei der Nominierung von Erika Träger als OB-Kandidatin vor einigen Wochen war nur ein sehr überschaubares Häuflein zusammengekommen. Aber den Eindruck, dass für ihre Zusammenkünfte immer das kleinste Nebenzimmer ausreicht, haben die Grünen gestern widerlegen können: Diesmal war der Saal voll, das entfachte Aufbruchstimmung.
Bemerkenswert an der Liste der Grünen: Sie haben mit Abstand die meisten Frauen, deren Anteil liegt bei 60 Prozent. Auch auf den ersten zehn Plätzen sind sechs Frauen. Die jüngste Kandidatin ist mit der Schülerin Melanie Arenz 20 Jahre alt, die älteste mit der Kustodin Christa Hartl 64. Sie alle eint die Unzufriedenheit mit der derzeitigen Stadtpolitik, und das ist das Prägende an der Grünen-Liste: Sie wird wohl diejenigen ansprechen, die ebenfalls derart unzufrieden sind. „Herr Zankl, was haben sie aus unserer schönen Stadt gemacht?“ – mit dieser Frage erklärte eine Kandidatin ihre Motivation. Es ist die Fragestellung, mit der die Grünen punkten wollen. Angewendet werden soll sie zum Beispiel in Bezug auf Unzufriedenheit mit der Entwicklung des Stadtbilds durch die Neue Mitte, der Verkehrspolitik mit einer möglichen Donaubrücke statt Rad, Bus und Stadtbahn als Mittel gegen den Innstadt-Stau oder der Jugendpolitik, deren Vorhandensein bezweifelt wird. Die Grünen glauben, sie könnten üppig ernten, wo OB Zankl gesät hat. Nur gehen die Ansichten über die Qualität dieser Früchte freilich vollkommen auseinander.