Groß-Protest in Passau „Wir haben es satt – auch in Niederbayern“ – Söder kündigt Glyphosat-Ausstieg Bayerns an
Mehr Respekt für Tiere, eine bäuerliche, ökologische Landwirtschaft, eine artgerechte, flächengebundene Tierhaltung sowie „Klasse statt Masse“ bei den Lebensmitteln haben die Teilnehmer der Demonstration „Wir haben es satt – auch in Niederbayern“ am Samstag im Klostergarten gefordert. Es waren laut Polizei 1000 Teilnehmer, laut Veranstaltern sogar 2000.
„Wir haben es satt, dass die qualvolle Massentierhaltung in Megaställen weiter betrieben werden darf und sogar noch zunimmt“, sagt Kreisrätin und Initiatorin Halo Saibold (parteilos), als sie die Kundgebung im Klostergarten eröffnete.
„Wir müssen weg von 0,85 qm Lebensraum für ein Schwein und weniger als einem DIN A4-Blatt für ein Huhn“, sagte Mitveranstalter Karl Haberzettl, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz. Er kritisierte die Nitratbelastung der Gewässer und Böden sowie das gravierende Insektensterben und forderte eine deutliche Reduzierung des Pestizideinsatzes, vor allem ein Verbot von Glyphosat und der für Bienen gefährlichen Neonikotinoide.
Auf den intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen verhungerten die Bienenvölker zwischen den Maiswüsten, prangerte Günter Kunkel, Vorsitzender des Imkervereins Passau an. Er wende sich nicht gegen die einzelnen Bauern, die ebenfalls Opfer einer seit Jahren verfehlten Agrarpolitik nach dem Motto „Wachsen oder Weichen“ seien. Eine Umkehr sei möglich. Biobauer Alois Aigner aus Reisbach, Landkreis Dingolfing-Landau, kritisierte die Ausbildung junger Landwirte an der Landwirtschaftsschule, die zu Glyphosat und zu immer größeren Ställen rate.
Ein langer Demonstrationszug machte sich dann zur Berufsschule 1 in der Neuburger Straße auf, den Haberzettl und Biobauern auf Traktoren anführten. Die Teilnehmer trommelten dabei kräftig auf die mitgebrachten Töpfe. Plakate des Bauernverbands am Wegrand riefen zum Dialog auf.
Bei der Abschlusskundgebung an der Berufsschule 1 trat Grünen-MdL Rosi Steinberger dafür ein, das Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ mit mehr Tierwohlkriterien auszustatten. Das Siegel bedeute derzeit nur, dass die Produkte aus Bayern stammen. Agrarminister Helmut Brunner zufolge reiche dies aus, um die Bauern nicht zu überfordern, wenn die Tiere mehr Platz und kein Gensoja erhalten sowie auf Schnabelkürzen verzichtet werde. Sie kritisierte CSU und Bauernverband. Es gehe um Niederbayern, die Heimat, die sich verändere. Sie wandte sich gegen Flächenfraß und Artensterben, warb für eine bäuerliche Landwirtschaft und mehr Geld für deren Produkte. Die Demo richte sich nicht gegen die Bauern. Sie sei für sie.
„Wir haben es satt, dass von rückwärtsgerichteten Berufsvertretungen jegliche Kritik an Produktionsmethoden, die weder Bauern noch Verbrauchern noch der Natur Vorteile bringt, als Angriff auf die Bauern bezeichnet wird“, sagte Josef Schmid, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) aus Neufraunhofen, und plädierte für „Bauernhöfe statt Agrarindustrie“. Unter Agrarwende verstehe die AbL aber nicht „alles Bio“, sondern es gelte zuerst, die agrarpolitischen Ziele zu ändern, wie weiteres Wachsen und Billigprodukte für den Weltmarkt. Er rief den designierten Ministerpräsidenten Markus Söder auf, einen Nachfolger für Brunner zu berufen, der dessen Agrarpolitik fortsetzt.
Agnes Becker, stellvertretende ÖDP-Landesvorsitzende, zitierte eine Studie der LMU München von 2016, derzufolge 91,8 Prozent der Mastschweine, die zum Schlachthof kommen, aufgrund der Haltungsbedingungen erhebliche krankhafte Veränderungen aufweisen. In den letzten 40 Jahren habe die Nahrungsmittelindustrie ihre Produktion verdoppelt, den Wasserverbrauch vervielfacht, den Kunstdünger- und Pestizideinsatz verachtfacht, rechnet Sepp Brunnbauer, Geschäftsführer des „Biokreises“ vor. Dennoch hungere eine Milliarde Menschen. 50 Prozent der Lebensmittel würden weggeworfen. Ein „Weiter so“ sei nicht möglich.
Nach einem Zug über die Neuburger Straße zum Berufsschulzentrum überreichten dort am Rande einer Abschlusskundgebung Kreisrätin Halo Saibold, Karl Haberzettl (Bund Naturschutz) und Urban Mangold (ÖDP) dem designierten Ministerpräsidenten Markus Söder, der zum CSU-Neujahrsempfang gekommen war, eine agrar- und umweltpolitische Resolution mit zwölf Forderungen sowie glyphosatfreien Rosenkohl, Honig aus der Region und Bio-Eier. Söder sicherte ihnen zu, in Bayern den Einsatz von Glyphosat früher zu stoppen als im Bund. Er wolle Landwirtschaftsminister Brunner beauftragen, dafür einen Weg zu finden. Haberzettl wertete den angekündigten Glyphosat-Ausstieg Bayerns als Erfolg.
Quelle: Passauer Neue Presse vom 29.01.2018
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