Klimaschutzkonzept bleibt umstritten bis zuletzt

In der Dreiländerhalle wurde über drei Stunden diskutiert, dann beschloss die Mehrheit das Passauer Klimaschutzkonzept. ?Fotos: Munzinger

Mit 29:13 Stimmen vom Stadtrat beschlossen – Grüne, ÖDP und Linke lehnen ab

Der Stadtrat hat am Montagabend mit 29:13 Stimmen das Passauer Klimaschutzkonzept beschlossen. Das fast 300 Seiten starke Papier blieb umstritten bis zuletzt. Grüne, ÖDP und Linke lehnten es nach über drei Stunden Diskussion erst im Klimaausschuss, dann im Plenum als zu wenig ambitioniert ab. Die Mehrheit dagegen hält das Konzept für mutig und vor allem umsetzbar. Entscheidend sei, dass die Maßnahmen der Bevölkerung auch zu vermitteln und eben kein „Wolkenkuckucksheim“ sind.

Im Detail legt der Beschluss mit dem Konzept 43 priorisierte „Leitprojekte“ fest, deren Umsetzung in den nächsten Jahren damit ebenfalls beschlossen ist. In der Priorisierung folgen nachrangige Maßnahmen und schließlich Beiträge, die lediglich im „Ideenspeicher“ landeten. Außerdem ist fortgesetztes Controlling über die Erfüllung der Ziele mitbeschlossen.

Ihren Protest skandierten in der Sitzung Fridays und Klimacamp.

In der Stadtratssitzung protestierten 30 Aktivisten von Fridays for Future und Klimacamp. Das Klimaschutzkonzept verdiene seinen Namen nicht. Nach dem Beschluss skandierten die Aktivisten fünf Minuten lang „wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“. Mehrere Polizeistreifen waren schon wegen der Störer unterwegs. Als die Polizei eintraf, hatten die Aktivsten aber die Dreiländerhalle gerade verlassen.

Vor zwei Jahren hatte der damalige Ausschuss für Umwelt und Energie die Erstellung des Konzepts in Auftrag gegeben. Mit dem Büro B.A.U.M. als Partner, der Beteiligung Passauer Akteure und der Mitarbeit engagierter Bürger wurde es erarbeitet.

Zur Verabschiedung stellte OB Jürgen Dupper fest: „In den vergangenen zehn Jahren haben wir auf vielfache Weise bereits Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt. Mit dem integrierten Klimaschutzkonzept gehen wir einen deutlichen Schritt weiter. Nach einem sehr breit aufgestellten und umfassenden Prozess können wir nun ein umsetzbares Papier vorlegen.“ Auch wenn der Kommune nur ein geringerer Teil des Gesamtenergieverbrauchs anzurechnen sei, wolle Passau mit gutem Beispiel vorangehen und bei Nachhaltigkeit und Energieeffizienz Impulsgeber für Haushalte und Wirtschaft sein.

Das Klimaziel der Stadt Passau orientiert sich am vorgegebenen Ziel der Bundesregierung, nämlich bis 2045 gemeinsam Klimaneutralität anzustreben (Gesamtgebiet Stadt Passau bis spätestens 2050 annähernd klimaneutral, kommunale Verwaltung bis spätestens 2045 klimaneutral). Gemeinsam heißt: mit Bürgerschaft, Wirtschaft, Verbänden, Politik und Verwaltung.

Im Gegensatz zu den bundesweiten Zielsetzungen und Möglichkeiten von windstarken und flächenreichen Landkreisen und ländlichen Regionen habe Passau im Bereich erneuerbare Energien nur begrenzte Möglichkeiten für eine streng territorial bilanzierte Klimaneutralität, stellt die Stadt fest. Auch dass zahlreiche historische Gebäude das Stadtbild prägen, eröffne nur begrenzte Möglichkeiten für energetische Sanierungen und bauliche Änderungen. 28 Prozent der 90 städtischen Liegenschaften liegen im Bereich des historischen Ensembles.

Große Bedeutung für kommunalen Klimaschutz werden in den Potenzialen für Energieeinsparung und Ausbau der erneuerbaren Energien erkannt sowie bei der Akzeptanz neuer Technologien. Der gesamte Energieverbrauch in der Stadt Passau ist die letzten zehn Jahre leicht gesunken ist, 2019 waren es 1717 GWh. Der größte Teil wurde in den Haushalten verbraucht, wobei die Bereiche Wirtschaft und Verkehr ebenfalls einen entscheidenden Anteil am Gesamtverbrauch tragen. Die meiste Energie (54 Prozent) wurde für Wärme verbraucht, 29 Prozent für den Verkehr und 17 Prozent in Form von Strom.

Vor der Beschlussfassung im Plenum standen im Ausschuss zahlreiche Änderungsanträge zur Abstimmung. Vor allem ging es darum, Maßnahmen eine höhere Priorität zuzuweisen. Die Vorschläge von Grünen und ÖDP wurden mit wenigen Ausnahmen von der Mehrheit abgelehnt. Es waren zumeist Ergebnisse mit 4:9 oder 5:8 Stimmen, wenn auch Andreas Vilsmeier (PaL) mit den Antragstellern stimmte. Lediglich die Themen Wasserstoff-Infrastruktur und Belebung der Mitgliedschaft bei den Klimakommunen fanden einhellig Befürwortung.

Einstimmig oder teils mit nur einer Gegenstimme (ebenfalls Vilsmeier) wurden dagegen Vorschläge von SPD, CSU, FWG und FDP beschlossen, die Evi Buhmann (CSU) vertrat. Voran stand die „Klima-Million“ im Haushalt, die in kommenden Jahren nun zumindest als halbe Million fortgeschrieben wird: 500000 Euro sollen alljährlich über beschlossene Maßnahmen hinaus in weitere Klimaschutzmaßnahmen gesteckt werden. Weitere Beschlüsse betreffen anstatt des derzeit nicht möglichen Verkehrsverbunds zumindest eine Kooperation, energiearme Straßenlaternen, Sammel-Abholzentren und die Vermittlung des Themas Nachhaltigkeit an Schulen.

Aus der Diskussion

OB Jürgen Dupper, SPD: „Das Konzept ist Work in Progress. Es ist ein ehrliches Konzept. Nichts wäre leichter als irgendwelche Zahlen reinzuschreiben, von denen der Physiker jetzt schon sagt, dass das nichts werden kann. Das ganz große Thema in Passau ist Wärme, dann erst Verkehr. Es wird aber nicht möglich sein, von einem Jahr aufs andere von Öl und Gas weg umzustellen. Und die Diskussionen werden kommen, wenn wir Photovoltaik auf Altstadtdächer bauen, zuerst aufs Rathaus Altes Zollamt. Wer das Konzept ablehnt, lehnt alle Maßnahmen ab, die drinstehen.“

Stefanie Auer, Grüne: „Das Konzept zu machen, ist gut und richtig. Aber das Ergebnis ist enttäuschend. Die Klimakrise ist die Herausforderung der Zeit und das Zeitfenster schließt sich. Die Dringlichkeit ergibt sich aus diesem Konzept nicht. Es ist zu langsam und unambitioniert“

Urban Mangold, ÖDP: „Unsere Vorschläge wurden von einer fundamentalen Ablehnungsfront stets zurückgewiesen. Der Zeitplan ist zu wenig engagiert. Mit diesem Konzept wird Passau keinen wirksamen Beitrag leisten, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. Leider haben wir Jahrzehnte verloren.“

Siegfried Kapfer, FWG: „Mit dem vorliegenden Konzept können wir unser Handeln zukunftsweisend gestalten. Dabei müssen wir unsere Bürger mitnehmen – nicht nur die, die sich entsprechend artikulieren oder die es sich finanziell leisten können.“

Markus Sturm, SPD: „Dass es an Beteiligungsmöglichkeiten gefehlt haben soll, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ebenso, dass manche lieber nichts wollen als auch nur ein bisschen was.“

Georg Steiner, CSU: „Als OB-Kandidaten haben wir alle mehr gefordert. Das Konzept bleibt dahinter zurück. Doch wir müssen starten und ich bin froh, dass etwas in Bewegung kommt. Die Klima-Million können wir kreativ und engagiert nutzen. Und es kann auch mehr sein, als wir heute beschließen.“

Karl Synek, Grüne: „Uns läuft die Zeit davon, die Ziele sind nicht ehrgeizig genug.“

Christa Tausch, FDP: „Wir sind uns alle der Aufgabe und Verantwortung bewusst. Das Konzept ist jetzt die Bibel und niemand hindert uns, schneller zu werden. Ich denke auch an die stillen Bürger, die nicht demonstrieren gehen.“

Josef Ilsanker, Linke: „Ich würde mir lieber mehr vornehmen und vielleicht ein oder zwei Jahre lang mit etwas scheitern als gleich von vornherein zu scheitern.“

Heinz-Peter Höber, PaL: „So gut und so schnell etwas tun, wie es geht – da wird aber Ablehnung der Qualität nicht dienen.“

Matthias Weigl, Grüne: „Warum haben wir uns nicht entschlossen, mehr zu wagen? Wie erklären wir das denen, die nach uns kommen? Es wird darauf ankommen, das Konzept so schnell wie möglich umzusetzen. Aber da fehlt mir das Vertrauen in die Mehrheit dieses Stadtrats.“

Dr. Gerhard Waschler, CSU: „Wir bauen keine Wolkenkuckucksheime, sondern bringen etwas auf den Weg, das Passau nach vorn bringt.“

Fritz Gerstl, SPD: „Es gibt keinen Aspekt, der neu und nicht in diesem Konzept enthalten wäre. Der Eindruck, dass etwas abgelehnt worden wäre, ist falsch. Es ging darum, ob etwas weiter vorn ist oder nicht. Ein Zeichen wäre, wenn alle für dieses Konzept wären – auch für die Bürger, die in die Tasche greifen müssen.“

Robert Schregle, AfD: „Sogar wir können mit diesem Konzept leben. Es ist ein Kompromiss.“

Katja Reitmaier, SPD: „Was ist denn das für ein Zeichen, hier mit Nein zu stimmen.“

Boris Burkert, Grüne: „Die Unambitioniertheit stört mich.“

Christian Flisek, SPD: „Wenn wir nicht die breite Bevölkerung hinter uns bringen, brauchen wir nicht über Zeitfenster zu reden. Denn wir werden keines halten können. Wie mit diesem wichtigen Thema umgegangen wird, besorgt mich. Das ist genau nicht die Botschaft, die wir brauchen.“

Quelle: Passauer Neue Presse vom 26.10.2021
Wir danken der PNP für die freundliche Genehmigung der kostenlosen Nutzungsrechte auf unserer Website.