Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Karl Synek für 2015
am 08.12.2014
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zu Beginn der neuen Stadtratsperiode erlauben Sie mir bitte, zunächst einige grundsätzliche Überlegungen in Bezug auf die vor uns liegenden sechs Jahre gemeinsamer Arbeit darzulegen. Unsere Entscheidungen sind für jede und jeden unmittelbar spürbar. Egal, ob Schule, Radweg, Krankenhaus, Müllabfuhr oder Schwimmbad – die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger hängt maßgeblich davon ab, ob und wie wir unsere Aufgaben erfüllen. Wir stehen vor bewegten Zeiten und deshalb lautet meine erste Kernaussage: Jeder von uns tut gut daran, überzogene Erwartungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt zu dämpfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenig zielführend ist deshalb z. B. das öffentliche und populäre Einfordern von Ausgaben im Vermögenshaushalt von Seiten der CSU-Fraktion im diesjährigen Sommer. Zuerst wird Geld für Hochwasserschutzmaßnahmen, anschließend eine Sanierung eines Schulhallenbades, danach der Bau eines neuen Feuerwehrhauses sowie der baldige Baubeginn der Dreifachturnhalle gefordert, um schlussendlich noch die Forderung eines Schuldenabbaus als Antrag im Finanzausschuss einzubringen. Wenn wir nur diese unvollständige Forderungsliste finanzieren müssten, dann wären unsere Rücklagen zum Ende des Jahres nicht nur alle weg, sondern wir gingen auch den Weg in eine weitere Neuverschuldung. Die Handlungsfähigkeit der Stadt wäre auf viele Jahre hin so gut wie beendet. Dass verantwortliche Haushaltspolitik nicht so ausschauen kann, liegt auf der Hand.
Aber wie schaffen wir es mit geringen finanziellen Mitteln trotzdem die Bürgerinnen und Bürger zufrieden zu stellen? Zweckmäßig ist es, sich Prioritäten zu setzen, welche die Einwohner unserer Stadt an uns heran tragen. Orientieren können wir uns dabei an einer vom Bayerischen Gemeindetag Anfang dieses Jahres in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage, in welcher die Bürger die kommunalen Aufgabeprioritäten in folgender Reihenfolge von 1 – 12 gesehen haben:
- Die Lösung von Verkehrsproblemen für Autofahrer, Radfahrer, und Fußgänger auch in Bezug zu Lärm und Abgasen
- Ein gutes Bildungs- und Betreuungssystem
- Die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen
- Eine gute Gesundheitsvorsorge
- Eine funktionierende Wasserver- und Abwasserentsorgung
- Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung
- Einrichtungen und Angebote für Kinder und Jugendliche und für ältere Menschen
- Versorgung mit ausreichendem und bezahlbaren Wohnraum
- Ausbau des ÖPNV
- Ausbau des Straßennetzes
- Schaffung von guten Einkaufsmöglichkeiten
- Einrichtungen für Freizeit und Sport
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf annehmen, dass die Reihenfolge in der Prioritätenliste die meisten von uns etwas überrascht hat. Um solche Überraschungen zu vermeiden wäre es deshalb ratsam, noch mehr als bisher auf die Beteiligung der Bürger zu achten. Wir sollten, und das wäre meine zweite Kernaussage, eine frühe, umfassende, transparente und auch attraktive Beteiligungskultur entwickeln. Die Stärkung der Mitwirkungsrechte betrifft dabei alle Menschen in unserer Stadt, unabhängig vom Alter, der Herkunft oder der Staatsangehörigkeit. Die Bürgerinnen und Bürger haben gewisse Erwartungen an die Politik – und diese Erwartungen richten sich häufig zuerst an das Rathaus.
Doch nicht jede Erwartung ist gerechtfertigt und vor allem nicht finanzierbar. Das führt zu der Frage: Bringt mehr Bürgerbeteiligung automatisch eine qualitätsvollere lokale Politik mit sich? Die Antwort hängt von vielen Faktoren ab. Ich meine jedoch, dass gerade wenn es z. B. um größere Ausgaben im Vermögenshaushalt geht, eine eingehende Erörterung der mittelfristigen Finanzplanung mit den Forderungen der Bürgerinnen und Bürger schnell für mehr Verständnis sorgen wird. Denn dann gilt es zwischen den Beteiligten abzuwägen, wenn es darum geht, ob wir zuerst eine neue Sporthalle, eine neue Straße oder aber einen neuen Kindergarten bauen sollen.
Trotz der angespannten Finanzlage haben wir in den vergangenen Jahren durchaus bemerkenswerte Investitionsausgaben geleistet. Abgesehen von den großen Maßnahmen, wie z. B. die Schulhauserneuerungen oder die Ertüchtigung der Kläranlage, dürfen wir auch die so genannten kleineren Investitionen nicht außer acht lassen, wie z. B. die Renovierung des Portals am Hauptfriedhof, den Neubau einer Brücke am Severinstor, oder die Neugestaltung des Domplatzes. Das alles sind keine Selbstverständlichkeiten und deshalb sind Rücklagen auch für solche Fälle einzuplanen. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Tatsache, dass jede neue Brücke, jede neue Straße, jeder neue Sportplatz und jede neue Halle in Zukunft Unterhaltsaufwendungen notwendig macht. Das führt zu meiner dritten Kernaussage: Wir sollten uns nur das leisten, was wir bezahlen können – nicht unbedingt sofort, aber zeitnah und was wir auch anständig unterhalten können.
Die Grundsätze der Haushaltsführung sind einfach und uns allen von zu Hause bekannt. Der vorgelegte Haushaltsplan für das Jahr 2015 bildet diese Grundsätze nach Auffassung der Grünen Fraktion ganz gut ab. Seit mehr als zwanzig Jahren wird hier zum ersten mal eine planmäßige Schuldentilgung angesetzt. Diese 1,7 Mio € für 2015 und für die folgenden Jahre sind ein ehrgeiziger Ansatz und ein wichtiges Signal an die nächste Generation in Passau. Sparpolitik und vernünftiges Investieren sind keine Gegensätze, sondern mit diesem Haushaltsplan wird das Gegenteil bewiesen. Dieser Stadtrat hat nicht vor, auf Kosten unserer Kinder das Geld auszugeben, sondern wir ermöglichen ihnen mit einer soliden Haushaltspolitik eine eigene Stadtgestaltung.
Die Lage der Stadt ist nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil die Einnahmen regelmäßig etwas unter dem Durchschnitt im Bayern weiten Vergleich liegen. Die Schlüsselzuweisung, deren Ansatz mit 14,5 Mio € niedrig angesetzt ist, schafft zwar einen gewissen Ausgleich. Gleichwohl ist es an der Zeit, das System der Gewerbesteuer aus zwei Gründen zu reformieren. Erstens muss schon aus Gerechtigkeitsgründen die Bemessungsgrundlage auch auf andere Einkunftsarten verbreitert werden. Und zweitens, schafft sie einen falschen Anreizfaktor zu Lasten der Umwelt und der kommunalen Finanzen. Flächenverbrauch und Grundstückspreisdumping spielen oft keine Rolle mehr, wenn vor Ort ein Investitionsvorhaben winkt, das Arbeitsplätze und vor allem Gewerbesteuer verspricht. Meines Erachtens würde eine Neuaufteilung der Gewerbesteuer über Gemeindegrenzen hinweg ein möglicher Ausweg sein.
Seit einigen Monaten erwächst der Stadt Passau ein besonderes Problem mit den Aufgriffen jugendlicher unbegleiteter Flüchtlingen, das durchaus auch eine finanzielle Belastung darstellt. Im Haushaltsentwurf sind dafür 10 Mio € eingestellt und zugleich eine Einnahme in gleicher Höhe. Die Ausgaben können als sicher angesehen werden, bei den Einnahmen besteht noch eine gewisse Unsicherheit. Liebe K. und K. , ich glaube wir sind uns alle einig, die Flüchtlingskinder sind in unserer Stadt willkommen und wir beweisen das täglich aufs neue. Vor allem unser Jugendamt leistet hier ganz hervorragende Arbeit und viele Bürgerinnen und Bürger unterstützen die Stadt in bemerkenswerter Art und Weise. Sollte sich die finanzielle Belastung im Rahmen halten, dann könnte sich auf lange Sicht betrachtet das von mir so bezeichnete „besondere Problem jugendlicher Flüchtlinge“, auch als besondere Chance für die Stadt Passau entwickeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorgelegte Verwaltungshaushalt wird auch im Jahr 2015 dafür sorgen, dass alle Aufgaben der Stadtverwaltung erledigt werden können. Erhöhungen sind grundsätzlich nur dort eingestellt worden, wo sie unvermeidlich sind. Wenn wir hier im Verwaltungshaushalt noch etwas einsparen wollten, so gibt es dafür lediglich drei Möglichkeiten:
- Wir reduzieren, so weit es geht, das Angebot für unsere Bürgerinnen und Bürger
- Wir lagern bestimmte Aufgaben aus der Stadtverwaltung aus und lassen diese z. B. von der VHS, der Universität oder von freien Mitarbeitern erledigen, oder bzw. und
- Wir entwickeln die Stadt zu einem digitalen öffentlichen Dienstleistungszentrum
Ich bin schon der Meinung, dass wir langfristig an einer Verschlankung der Stadtverwaltung nicht herum kommen. Ein „weiter so“ wird irgendwann unfinanzierbar.
Der Vermögenshaushalt und die mittelfristige Finanzplanung bilden in gewisser Weise die geplante Stadtentwicklung in den nächsten 4 Jahren ab. Zugleich wird dabei auch die Frage beantwortet: Wo soll die Stadt im Jahr 2020 stehen? Von den anfangs genannten 12 Forderungen der Bürger fehlt mir eigentlich nur ein Punkt, der in der Prioritätenliste ganz vorne steht. Unter Punkt 3 nannte ich „die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen“. Liebe K. u. K., das ist eine harte Nuss für alle Kommunalpolitiker. Neben den in Passau schon reichlich vorhandenen weichen Standortfaktoren, wie schönes Wohnumfeld, Kulturangebot, Umweltqualität, usw., müssen wir noch weiter an den so genannten harten Standortfaktoren arbeiten. Dazu zählt der Breitbandausbau, eine sichere Energie- und Wasserversorgung, ein hohes Ausbildungsniveau, ein erfolgreiches Stadtmarketing und vor allem eine Gewerbeansiedlungspolitik, die nicht vom Kirchturmdenken gesteuert wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Punkt denken manche an die WGP und erwarten von dieser städtischen Gesellschaft mehr Aktivität. Ich darf bei dieser Gelegenheit versichern, dass der WGP-Aufsichtsrat genau dieses vor hat. Die Entwicklung von neuen Gewerbeflächen und vor allem von neuen Wohnbauflächen ist das erklärte Ziel dieser Gesellschaft. Hauptaufgabe bleibt es allerdings wie bisher, günstigen Wohnraum in der Stadt bereit zu halten und neue preisgünstige Wohnungen zu bauen. Sollte sich in nächster Zeit die Gelegenheit bieten preisgünstig Bauland erwerben zu können, so steht die WGP als solides Tochterunternehmen der Stadt gerne dafür zur Verfügung.
Wie jedes Jahr, so hat das städtische Klinikum auch im vergangenen Jahr viel Freude gemacht. Wir wünschen dem neuen Leiter bei seiner verantwortungsvollen Aufgabe ebenfalls das sprichwörtliche „Glück des Tüchtigen“, wie wir es von seinem Vorgänger über Jahre erfahren haben. Die Auflösung der Event-GmbH war zwar schwierig und doch notwendig. Ob und wie sich die bisherigen Aufgaben im Referat Stadtmarketing bewältigen lassen, das bleibt noch abzuwarten. Der städtische Schlachthof, als weiteres Tochterunternehmen, wird seit Jahren hervorragend geleitet und er gilt in der Branche in mehrfacher Hinsicht als beispielhaft. Auch die wirtschaftliche Entwicklung der Stadtwerke kann als zufrieden stellend bezeichnet werden. In einem schwierigen Markt zu bestehen und zugleich noch einen attraktiven ÖPNV anzubieten ist zweifelsfrei eine Herausforderung. Trotzdem fordern wir Grünen auf diesem Gebiet weitere Verbesserungen zu Gunsten von tausenden Bewohnern unserer Stadt. Auch ein ehrgeiziger Ausbau von alternativer Energiegewinnung, Stichwort „Strombojen im Inn“ wäre gerade in unserer Stadt ein Riesenschritt in die Zukunft.
So ein Vorhaben gelingt eigentlich nur dann, wenn es bezuschusst wird. Bei dem Wort „Zuschuss“ richten sich alle Erwartungen in Richtung Bund und Land. Dass unsere Region, entgegen aller Beteuerungen von den verantwortlichen Politikern, hier vernachlässigt wird, steht für mich außer Zweifel. Wir brauchen nicht nur eine Förderung der Hochwasserschutzmaßnahmen von mindestens 80 %, wie bei unseren Nachbarn in Österreich, sondern wir brauchen auch strukturelle Verbesserungen. Was liegt hier näher, als die Forderung nach einer Behördenansiedlung, welche die Staatsregierung in anderen Bezirken Bayerns bereits gemacht und Heimatminister Söder erst kürzlich wieder versprochen hat. Ich rede hier nicht von vielleicht einem Dutzend neuer Arbeitsplätze, sondern von einer Mittelbehörde im dreistelligen Arbeitnehmerbereich. Notwendig ist dabei allerdings, dass wir unsere Hausaufgaben auch erledigen. Neben der Bereithaltung von geeigneten Grundstücken bzw. Objekten gibt es noch eine weitere Möglichkeit im Wettlauf um öffentliche Gelder zum Zuge zu kommen. Ich denke hier an die EU-Strukturförderungen im „EFRE-Programm“ zur Förderung von Investitionen in Wachstum und Beschäftigung für die Jahre 2014-2020 und das „ESF-Programm“ für Wettbewerb und Beschäftigung. Beide EU-Förderprogramme haben Schwerpunktgebiete und glücklicherweise liegt Passau in beiden Gebieten. Diesen Umstand gilt es zu nützen. Wir sollten nicht nur mehr oder weniger zufällig solche EU-Gelder für uns generieren, sondern wir sollten im besten Falle schon für jede kommende Förderung einen fertigen Plan in der Schublade haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich noch einmal auf die mittelfristige Finanzplanung zurück kommen. Wie Sie sehen, sind 2018 unsere Rücklagen voraussichtlich aufgebraucht, auch wenn wir die zukünftigen höheren Belastungen beim Berufsschulzweckverband außer acht lassen. Einige Investitionsvorhaben, welche von vielen von uns als absolut wichtig angesehen werden, sind aber im Plan gar nicht enthalten. Vor allem gehe ich davon aus, dass uns die Hochwasserschutzmaßnahmen noch viel Geld kosten werden. Und es ist genau dieser Punkt, der nach Auffassung der Grünen Fraktion absolute Priorität für unsere Stadt hat. Deshalb sind wir der Meinung, wir müssen unser Geld zusammen halten und vor allem neue Dauersubventionsmaßnahmen unbedingt vermeiden. Ich glaube, die Bürger ziehen auch bei unbequemen Schritten mit, wenn wir die Dinge möglichst transparent handhaben und wir uns dem Gespräch mit ihnen stellen. Als meine letzte Kernaussage möchte ich Franz Müntefering aus einem Spiegel-Interview zitieren. Er sagte: „Ich glaube, dass wir die Menschen in ihrer Fähigkeit unterschätzen, Zusammenhänge zu begreifen.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grünen machen Ihnen allen heute das Angebot, gemeinsam und mit den Bürgerinnen und Bürgern die anfangs erwähnte Prioritätenliste über Fraktionsgrenzen hinweg in den nächsten 5 Jahren abzuarbeiten.
Abschließend geht unser Dank an dieser Stelle an die Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die mit Tatkraft zur guten Entwicklung der Stadt Passau beigetragen haben; vom Oberbürgermeister, über die Referatsleiter, zu den Mitarbeitern und bis zu den Menschen, die an vielen Stellen für unsere Stadt wertvolle Hilfe leisten.
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.
Karl Synek
(Fraktionsvorsitzender der Grünen)