Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Karl Synek für 2018
Fraktion der Grünen am 04.12.2017
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Im Grunde wollen wir alle das Gleiche. Wir wollen für die Einwohner Passaus einen Ort erhalten bzw. schaffen, an dem sie sich wohl fühlen. Die Stadt soll Identifikation und Geborgenheit für ihre Bürgerinnen und Bürger bieten und damit einen Teil des Heimatbegriffs für viele Menschen erfüllen.
Um aber den Erwartungen und Vorstellungen der Bürger nachzukommen bedarf es einer vorausschauenden Stadtplanung sowohl in finanzieller als auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Die Haushaltsreden bieten wenigstens einmal im Jahr die Gelegenheit für uns, gemeinsam den Blick in die Zukunft zu richten. Ich möchte heuer ein Thema aufgreifen, welches uns gegenwärtig in diesem Gremium mehr als notwendig trennt. Es geht um die Mobilität und den öffentlichen Raum in unserer Stadt.
Wie ist der Status quo? Statistisch stehen wir als Autofahrer im Jahr 38 Stunden im Stau, wir sitzen zu 75 % alleine im Auto und dieses steht zu 90 % ungenutzt herum und noch dazu verbringen wir 118 Stunden mit der Suche nach einem Parkplatz. Stickoxide, Kohlendioxide und Feinstaub sowie Lärm belasten die Anwohner und Fußgänger in den Straßen und sie sind statistisch für den vorzeitigen Tod von 20 – 30 Bürgerinnen und Bürgern jedes Jahr in unserer Stadt die Ursache.
Obwohl die Städte, also auch die Stadt Passau, nicht der Verursacher dieser mehr als ärgerlichen Umstände sind, sind es doch die Bürgerinnen und Bürger, welche von uns Lösungen erwarten. Dazu gibt es zwei ganz unterschiedliche Ansätze, welche auf unser Mobilitätsbewusstsein abzielen.
Der erste und zugleich traditionelle Ansatz hat das Ziel einer autogerechten Stadt. Das bedeutet immer mehr und immer höhere Investitionen in den Straßenausbau, Brückenbau, Tunnelbau und Parkplatzbau zu stecken. Diese vermeintliche Problemlösung hat mit der Eigentümlichkeit der Politik zu tun, die der ehemalige Wirtschaftsstaatssekretär Otto Schlecht einmal die „Faszination des Unmittelbaren“ nannte. Es ist nämlich die Neigung der Öffentlichkeit, bei allen Problemen ad-hoc-Maßnahmen des Staates oder der Kommune zu verlangen und die darauffolgende Bereitschaft der Politiker, diesem Verlangen nachzugeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind aber Veränderungen, die uns meistens im Leben, im Beruf und in der Gesellschaft nach vorne bringen. Neue Erkenntnisse, wie z.B. über die zukunftsfähige Mobilität, bieten nicht nur eine große Chance, sondern zwingen uns praktisch zum Handeln und darüber nachzudenken, welchen neuen Ansatz wir in unserer Stadtentwicklung anstreben. Wenn wir es nicht wagen, in unserer Stadt den PKW-Verkehr deutlich zurück zu drängen, so werden trotz aller Ausbaumaßnahmen weiterhin Staus und Atemwegserkrankungen die Folge sein. Denn je mehr Fahrzeuge unterwegs sind, desto mehr klima- und gesundheitsschädliche Luftschadstoffe gelangen in unsere Atemluft. Betroffen sind davon insbesondere die Anwohner, aber auch die Radfahrer und Fußgänger in der Stadt.
Bisher wurde Mobilität mit Automobilität gleichgesetzt, doch immer mehr, vor allem junge Menschen, haben andere Mobilitätsvorstellungen. Nachhaltige Konzepte zur Fortbewegung setzen heute vermehrt auf den ÖPNV, oder auf alternative Antriebskonzepte wie Elektroauto und Wasserstofftechnologie, sowie ebenso auf das erprobte Fahrrad. Der Ansatz, die Stadt auf die Bedürfnisse der Autofahrer auszurichten und Radfahrer und Fußgänger aus der Innenstadt möglichst zu verdrängen, ist falsch!
Da wir alle keine Anhänger von Fahrverboten sind, stellt sich die Frage nach Alternativen. Vor allem muss der öffentliche Personennahverkehr gestärkt werden. Speziell in Passau bedeutet dies eine Neuausrichtung des Busnetzes, weg von der Zentralität zu mehr Netzqualität. Das Problem ist nur, der ÖPNV ist erheblich unterfinanziert. Sowohl für den Stadtverkehr und natürlich auch für den Stadt-Land-Verkehr müssen Bund und Länder sich deutlich stärker finanziell engagieren. Bei dieser Gelegenheit darf ich auch auf eine gewisse Unwucht in diesem Haushaltsplan hinweisen, die sich allerdings schon seit Jahren durch die Finanzplanungen zieht. Für den Straßenausbau und Brückenbau wenden wir ca. 10 Mio € auf und für die Radfahrer und Fußgänger sind es gerade mal ca. 200.000 €. Bei einem Radfahreranteil von 11 % am Gesamtverkehr fehlt gerechterweise jedes Jahr ungefähr eine Million Euro für die Infrastruktur und Förderung des Radverkehrs.
Ein weiterer Schritt nach vorne ist die Unterstützung der Elektromobilität. Unsere Aufgabe wird es sein, schadstoffarme Busse und kommunale Fahrzeuge anzuschaffen. Als nächstes sollten wir die Umrüstung etwa von Lieferfahrzeugen, Taxis und Kurierdiensten, wie es die Post schon vormacht, in unserer Stadt anstreben. Auch ein Logistik-Konzept für die innerstädtischen Versorger sollte uns gelingen.
Einen Großteil des innerstädtischen Verkehrs bis zu 10 Kilometern kann aber das Fahrrad übernehmen. Das eigentliche Problem ist hier die mangelnde Infrastruktur. Es gibt viel zu wenige Radwege, oder es sind Radwege, die nach wenigen hundert Metern plötzlich mitten auf der Straße enden. Vor allem gehören Radwege in Zeiten des Pedelecs für Berufspendler aus den Randgemeinden an den Einfallstraßen entlang gebaut. Zu einer guten Infrastruktur gehören aber nicht nur neue Fahrwege, sondern auch Fahrradabstellanlagen und gute Wegweisungen. Die Menschen müssen sicher, komfortabel und zügig fahren können. Entscheidend ist, dass die Radfahrer nicht nur objektiv sicher sind, sondern sich auch sicher fühlen.
Wegen der besonderen Topographie Passaus sind vor allem Elektrofahrräder für unsere Bürgerinnen und Bürger eine Alternative zum Auto. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass der Umweltausschuss einstimmig beschlossen hat, die Anschaffung von diesen im nächsten Jahr zu bezuschussen. Damit wollen wir nicht nur unsere Straßen entlasten, sondern wir machen zugleich einen Schritt in Richtung Energiewende und Schadstoffreduzierung. Das gleiche Ziel, in einem weitaus höheren Maße, verfolgt die Eigenkapitalerhöhung der Stadt bei den Stadtwerken in Höhe von 500.000 €. Wir verschaffen auf diese Weise den Stadtwerken, vielleicht in Form einer Bürgerbeteiligung, die Möglichkeit einer modernen und nachhaltigen Energiegewinnung durch Strombojen, welche die Grünen übrigens schon vor fünf Jahren gefordert hatten. Dieser eingeschlagene Weg, nämlich in nachhaltige Projekte zu investieren, ist richtig und wir hoffen auf eine Fortsetzung ähnlicher Investitionen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer die Vermögenshaushalte der letzten Jahre anschaut, der wird einen Schwerpunkt im Ausbau unserer Schulen feststellen. In dem vorliegenden HH-Plan erkennen wir zwei neue Schwerpunkte. Es ist zum einen der Kinderstättenausbau und zum anderen der Sportstättenausbau. Der Grund hierfür ist, Passau nimmt an Einwohnerzahl zu und darauf müssen wir reagieren. Dieser Umstand betrifft in besonderer Weise aber auch den Wohnungsbau. In diesem Zusammenhang plädieren wir für ein strukturiertes Vorgehen.
Im ersten Schritt muss die Wohnungsversorgungslage in Passau genau erfasst und danach ständig fortgeschrieben werden. Im zweiten Schritt müssen wir ein klares Zielprogramm erstellen, in welchem die Anzahl der benötigten Wohnungen und der Zeitraum für die Planungs- und Bauphase festgelegt werden. Wo sind noch Baulücken, wo kann aufgestockt werden, wo befinden sich geeignete Grundstücke? Wann und wie müssen wir Bebauungs- und Flächennutzungspläne neu aufstellen und welche Rolle soll der soziale Wohnungsbau spielen? Sollten wir nicht auch die Stellplatzverordnung flexibilisieren?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ziel, die Versorgung aller Haushalte mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum zu gewährleisten, ist gerade in einer Universitätsstadt wie Passau eine große Herausforderung. Die städtische WGP verzeichnet seit Jahren eine erfreuliche Entwicklung, aber der Bedarf an preisgünstigen Wohnungen steigt wesentlich schneller als neue Wohnungen errichtet werden können. Der Verweis auf private Investoren ist aus zwei Gründen nicht ganz unproblematisch. Zum einen treten in diesen Fällen stadtplanerische Aspekte ganz klar hinter Renditeerwartungen zurück und zum anderen sind wir mit dem wertvollen Gut Grund und Boden oft zu großzügig umgegangen. So leben z.B. auf einem Hektar Bauland mit einer Einfamilienhaus-Bebauung nur 44 Menschen im Durchschnitt. Bei einer Bebauung mit Reihenhäusern reicht die gleiche Fläche für mehr als doppelt so viele Bewohner.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwei Sätze möchte ich zu den Stadtwerken und zum Klinikum sagen. Bei den Stadtwerken sehe ich die hohe Verschuldung von 67 Mio € etwas kritisch. Das Klinikum dagegen steht sowohl in der Ertragslage, als auch in der Finanz- und Vermögenslage sehr gut da.
Die allgemeine Finanzlage der Stadt kann auf Grund des vorliegenden HH-Plans für 2018 und auch der mittelfristigen Finanzplanung als gut bezeichnet werden. Trotzdem gibt es keinen Grund, großzügige Ausgaben für die nächsten Jahre zu planen. Der Schuldenstand ist selbst nach Abzug der kostendeckenden Einrichtungen von 65 Mio € immer noch etwa doppelt so hoch wie in vergleichbaren Städten. Trotz einer Sondertilgung von 1,7 Mio € wird die finanzwirtschaftliche Mindestquote von 4 % nicht erreicht. Das ist so lange nicht von entscheidender Bedeutung, so lange die Zinsen so niedrig wie zur Zeit sind. Nach wie vor liegt die Finanzkraft der Stadt, also die Summe aller unserer Einnahmen, unter dem Landesdurchschnitt. Das heißt, bei allen Vergleichen, was andere Städte in Bayern sich leisten, muss dieser Umstand bedacht werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass wir in Passau mit den Hochwasserschutzmaßnahmen einen Sonderaufwand von mehr als 10 Mio. € zu bewältigen haben. Ob und wie wir den Hochwasserschutz in Angriff nehmen, das wird im nächsten Jahr noch für erhebliche Diskussionen sorgen. Im Vergleich dazu wird die Entscheidung für oder gegen eine eventuelle Seilbahn ein kleineres Problem sein. Was gar kein Problem mehr ist, das sind die Flüchtlinge in unserer Stadt. Diese Riesenaufgabe wurde und wird von unserer Verwaltung in hervorragender Weise erledigt. Im Namen der Grünen-Fraktion möchte ich mich heute bei allen Beschäftigten der Stadtverwaltung für die gute Zusammenarbeit im abgelaufenen Jahr herzlich bedanken. Das Gleiche gilt für den Oberbürgermeister und für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier im Stadtrat.
Stadtentwicklung ist keine Aufgabe, die Verwaltungen alleine bewältigen können. Städte sind ein Ort des Handels, des Wohnens, der Arbeit, der Kultur, der Bildung, der Kommunikation und der Begegnung. Unsere Aufgabe ist die „Sicht von oben“, das heißt, in dem Wissen der überschaubaren finanziellen Mittel des Beste für die Stadt Passau gemeinsam zu planen und zu verwirklichen. In diesem Sinne bieten wir allen hier im Saal an, das Gespräch mit uns zu suchen, denn wie habe ich begonnen? Im Grunde wollen wir alle doch das Gleiche.
Die Fraktion der Grünen stimmt den vorliegenden HH-Plänen für das Jahr 2018 zu.
Karl Synek