Bundesvorsitzende Simone Peter setzt bei Wahl-Talk auf Regierungsbeteiligung in Berlin – Kurzfristig für Spitzenkandidatin Göring-Eckardt eingesprungen
Alles andere als zweite Wahl war Simone Peter, „Ersatzfrau“ für Katrin Göring-Eckardt, bei einem Gesprächsforum von Bündnis 90/Die Grünen im Restaurant Oberhaus in Passau. Während die angekündigte Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl am Mittwoch eine Einladung zu Dunja Hayalis Flüchtlings-Talk im ZDF wahrnahm, versuchte sich die Bundesvorsitzende nahezu zeitgleich in einem ähnlichen Format, einer Frage- und Antwort-Runde – und das mit Erfolg. „Ich bin überzeugt, dass wir zweistellig werden und drittstärkste Kraft in Berlin“, so die Grünen-Chefin.
Im Gegensatz zur TV-Sendung nahm sich Boris Burkert, Bundestagsdirektkandidat und Stadtratsmitglied in Passau, als Moderator bewusst zurück. Er animierte die rund 70 Zuhörer, Fragen an Simone Peter zu formulieren. Das Konzept ging auf: Die Gäste – überwiegend treue Partei-Anhänger und Stammwähler, aber auch, wie sich zeigte, parteikritische Köpfe – nahmen kein Blatt vor den Mund und klopften die „10 Punkte für grünes Regieren“ auf deren Realisierbarkeit ab. „Antworten darauf, wenn es gerecht und ökologisch zugehen soll“ – so betitelte die Bundesvorsitzende die quasi zehn Gebote der Grünen.
Freilich griff Simone Peter das zentrale Thema bei Hayali auf, als sie den passenden Ball unter anderem von Christian Domes, einer der Motoren im Salzweger Asyl-Helferkreis, zugespielt bekam. „Mit uns gibt es keine Abschiebungen in Kriegs- und Krisenregionen“, skizzierte sie als den erklärten politischen Willen ihrer Partei und als ihre ganz persönliche „Herzensangelegenheit“.
Auf Domes’ energisch vorgetragene Forderung nach einer Klage gegen die aktuelle Bundesregierung wegen der Abschiebe-Praxis ließ sich die Grünen-Vorsitzende freilich nicht festnageln, weil auch zeitlich nicht mehr zu schaffen. „Wichtig ist die politische Entscheidung. Die kann in fünfeinhalb Wochen geschehen“, hob Simone Peter hervor, wetterte gegen Obergrenzen und versprach, seitens Bündnis 90/Die Grünen keine entsprechenden Anordnungen oder Gesetzesvorlagen zur Abschiebung zu unterschreiben. Im Gegenteil: „Wir müssen endlich Möglichkeiten schaffen, Integration voranzubringen“, lautete die Zielvorgabe der Politikerin.
Zu Besonnenheit mahnte die Partei-Frontfrau ebenso beim Thema Innere Sicherheit. Dazu höre man von den Grünen sehr wenig, hieß es in einer Wortmeldung. Simone Peter, einst selbst innenpolitische Sprecherin im saarländischen Landtag, monierte „unglaublich viel Symbolpolitik“ nach jeweiligen Ereignissen und forderte stattdessen mehr Polizei in der Fläche anstelle einer immer stärkeren Überwachung. Bürgerrechte und Sicherheit dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, erklärte das einstige Kabinettsmitglied in Saarbrücken.
Auf Anstoß durch das Vilshofener Grünen-Urgestein Godehard Limmer nannte Simone Peter die Tatsache, dass in Deutschland 2,5 Millionen Kinder in Armut leben, einen Skandal. Das Rezept ihrer Partei gegen diese Entwicklung: ein „Familienbudget“ mit einem Volumen von zwölf Milliarden Euro im Bundeshaushalt – unter anderem zur Ertüchtigung von Schulen und zur dortigen Verbesserung der sozialen Betreuung, aber auch zur Ermöglichung guter Arbeit bei gleichzeitigem Abbau der „prekären Beschäftigung“ wie Leih- und Zeitarbeit. Um das Rentensystem gegen die drohende Altersarmut zukunftsfähig zu machen plädierte die Grünen-Chefin für eine stabile Grundsicherung in Form einer Garantie-Rente.
Nicht fehlen durfte die Umwelt- und Agrarpolitik, die eine Passauer Studentin (19) und Erstwählerin mit der elementaren Grundsatzfrage anschnitt, überhaupt noch Kinder in die Welt setzen zu sollen. „Wir müssen uns an den Klimazielen orientieren“, bekundete Simone Peter und sprach sich dafür aus, wie bei der Förderung privater Solaranlagen vor allem die Bürger einzubeziehen und – im Hinblick auf die geplanten Stromtrassen – auch deren Interessen ernst zu nehmen. Eine klare Ansage kam zur Diesel-Krise: „Die Automobilindustrie muss liefern.“ Man müsse wegkommen von der fossilen Mobilität und hin zur E-Mobilität, so die Politikerin.
Die Empfehlung des Tittlinger Marktratsmitglieds und Bürgermeisterkandidaten Ulrich Swo-boda, als Grüne „ein bisschen unbequemer zu sein“ und mehr zu polarisieren, griff Simone Peter sofort auf und leitete sie direkt an den Partei-Nach-wuchs weiter: „Bleibt der Stachel. Ihr müsst uns treiben.“ Als lokaler Brennpunkt kam die umstrittene Passauer Nordtangente zur Sprache. Ihr Postulat auf diesem Sektor: aus dem Bundesverkehrswegeplan einen „Mobilitätsplan“ machen.
Über den Dächern von Passau beinahe obligatorisch war das Thema Hochwasser mit dem Plädoyer eines Zuhörers für eine bundesweit verpflichtende Elementarversicherung, die dann „leistbar für alle“ wäre. Angesichts der geänderten Wetterlagen sagte Simone Peter auch hierfür ihre Unterstützung zu. „Klare Ansagen machen und Grün wählen“, so fasste der Landesvorsitzende Eike Hallitzky seinen Wunsch für den 24. September in Worte.
Quelle: Passauer Neue Presse vom 18.08.2017
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