„Gerade die CSU sollte so klein mit Hut sein“

Klimacamp Passau
"Wahrscheinlich ist es besser fürs Klima, dass Andreas Scheuer nicht mit dem Flugzeug anreist", sagte Matthias Weigl von den Grünen. -Foto: Ströbl

Baumbesetzer treten in offenen Dialog mit Bürgern und Politikern – Kritik an OB Dupper und Andreas Scheuer

Nachdem die erste Woche der Passauer Baumbesetzung eher turbulent verlief, lief die zweite Woche konstruktiv an. In zwei offenen Gesprächsrunden luden die Aktivisten zum Dialog ein. Jeweils um 18 Uhr diskutieren sie am Montag mit den Passauer Bürgern, am Dienstag mit Politikern.

Am Montag nahmen vor allem einige Bürgerinitiativen, die die Anliegen der Aktivisten teilen, deren Angebot an. So sprach sich etwa die Bürgerinitiative „Lebenswerte Innstadt“ für Verkehrsentlastung in der Innenstadt und eine Regulierung des Tanktourismus über die Grenzen aus. „Seit Jahren tragen wir unsere Anliegen an OB Dupper heran“, beklagte eine Sprecherin der Initiative. „Er zeigt sich zwar gerne dialogbereit, vertröstet uns aber immer wieder.“

Die „Interessengemeinschaft Verkehr“ sprach sich vor allem gegen den Lkw-Schwerlastverkehr aus. Dieser müsse umgeleitet werden. Dafür solle keine Nordtangente gebaut, sondern die bestehende Umfahrung genutzt werden.

Das Thema Nordtangente sprach schließlich auch die Bürgerinitiative „Natur ja, Nordtangente nein“ an. „Wir sind für einen besseren Verbund von Stadt und Land“, sagte Vorstand Martin Ziegler. „Anstatt neue Straßen zu bauen, muss der ÖPNV ausgebaut und kostenlos gemacht werden. Unsere Stadtteile gehen kaputt, die Autos stehen 23 Stunden am Tag.“

Kamen am Montagabend etwa 25 Interessierte, waren es am Dienstag bei der Diskussion mit Politikern schon rund 50 Bürger, die der Gesprächsrunde beiwohnten. „Auch wenn diejenigen, an die sich unsere Forderungen richten, heute nicht erschienen sind, freuen wir uns über jeden, der gekommen ist.“ sagte Aktivistin Mirjam Hermann. Gemeint waren Oberbürgermeister Jürgen Dupper, Landrat Raimund Kneidinger und „die gesamte Passauer CSU“. Landrat Kneidinger ließ sich durch seine Sprecherin entschuldigen, er sei „zum genannten Termin bereits gebunden und kann deshalb nicht teilnehmen“. Aus dem Rathaus gab es dagegen keine Auskunft. „Die Termine des OB sind die Termine des OB“, sagte Sprecherin Karin Schmeller.

Boris Burkert, Stadtrat der Grünen, sprach zunächst ein Lob für das Engagement der Aktivisten aus. Er betonte, dass sie entgegen der Meinung vieler keine Bäume verletzt hätten. Zum Thema Mobilitätswende hatte er eine klare Meinung: „Das Thema wird auf die lange Bank geschoben“, beklagte er. „Die Verhinderung der Nordtangente sei im Stadtrat zwar Konsens, doch tut Andreas Scheuer im Hintergrund alles, um das Projekt doch noch zu verwirklichen.“ Dabei gebe es wichtige Alternativen. „Projekte wie die Ilztalbahn und die Granitbahn würden für mehr Verkehrsentlastung in der Stadt sorgen. Solche Dinge werden als nichtig erachtet, dabei wären sie eine tragende Säule der Mobilitätswende.“ Sein Parteikollege Matthias Weigl ging insbesondere mit der CSU hart ins Gericht. „Gerade diejenigen, die einen sachlichen Dialog gefordert haben, sind heute nicht anwesend. Aber wahrscheinlich ist es fürs Klima sowieso besser, wenn Andreas Scheuer nicht mit dem Flugzeug aus Berlin anreist.“ Der Minister fahre mit Wasserstoff-Autos bei Presseterminen vor, nur um dann anschließend wieder in seine Verbrenner-Limousine zu steigen. „Warum wird dieser Protest nicht ernst genommen? Gerade die CSU sollte doch nach Wackersdorf so klein mit Hut sein“, kritisierte Weigl.

Dass beim Thema Klimaschutz nichts weitergeht, beklagte auch Marie-Louise Erhard von den Freien Wählern. „Ich weiß, dass ich abseits der Richtung meiner Partei stehe, die sich eher dem Kurs der CSU anschließt“, sagte die Politikerin in Richtung der Aktivisten, „doch ich finde Eure Forderungen gut und wichtig und es ist toll, dass ihr hier steht.“

Walter Dankesreiter von der ÖDP sprach sich zum Thema Klimagerechtigkeit aus. Mit Bedenken sah er vor allem den Weg, den die Landwirtschaft in den letzten Jahren ging. „Welchen Weg die Landwirtschaft die letzten Jahre eingeschlagen hat, ist schlimm“, beklagte der Bio-Bauer. „Gerade der Landkreis Passau ist entgegen der Meinung vieler von einer heilen Welt weit entfernt.“ In Fürstenzell gebe es einen Hühnerstall mit 30000 Hühnern, im Schlachthof Vilshofen würden 20000 Schweine geschlachtet, „und das jede Woche“. Das seien einfach keine gesunden Verhältnisse mehr. „Wir brauchen kleinere und damit verträglichere Betriebe“, so Dankesreiter.

Gegen Ende waren alle Anwesenden eingeladen, ihre Ideen für den Klimaschutz einzubringen. „Was können wir konkret tun?“ fragte Mirjam Hermann in die Runde. So forderte u.a. eine Teilnehmerin weniger Parkplätze in der Stadt, um das Verkehrsaufkommen zu verringern.

Obwohl OB Jürgen Dupper nicht zur Diskussionsrunde erschien, zeigte sich die Stadt dennoch kooperativ ? sie genehmigte die Baumbesetzung für eine weitere Woche.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 13.05.2021
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