„Die Menschen wollen Ergebnisse sehen“

Der 56-jährige Mallersdorfer Erhard Grundl ist der einzige Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Niederbayern. Im Bundestag ist der ehemalige Rockmusiker Obmann der Grünen im Ausschuss für Kultur und Medien sowie Sprecher für Kulturpolitik. Außerdem ist er Mitglied im Sportausschuss. -Foto: Jörg Schlegel

Grünen-MdB Erhard Grundl aus Mallersdorf sieht seine Partei bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen

Erhard Grundl ist ein „gestandenes Mannsbild“, der Niederbayer aus Mallersdorf sitzt seit 2017 für die Grünen im Bundestag. Der ehemalige Musiker und Vertriebsmanager in der Musikindustrie ist seit 2004 Mitglied bei den Grünen. Im Bundestag ist der 56-Jährige kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Im PNP-Interview traut er seiner Partei viel zu.

Herr Grundl, wie fühlt man sich derzeit als Grüner in der Politik?
Erhard Grundl: Ich habe mich bei den Grünen immer sehr wohl gefühlt. Unsere Themen verfangen immer mehr und die guten Umfragewerte nimmt man zur Kenntnis. Das Ziel aber ist, Gestaltungsmöglichkeit zu haben. Wenn uns diese jetzt von den Menschen im Land zugetraut wird, fühlt man sich gut und freut sich.

Haben Sie sich schon mal angefreundet mit dem Gedanken, demnächst ganz an der Spitze der Parteienlandschaft zu stehen und Regierungsverantwortung zu übernehmen?
Grundl: In den Ländern sind wir ja schon in vielen Konstellationen beteiligt. Wir wissen, welche Verantwortung das ist, wir sind aber gut beraten, uns aktuell damit nicht zu befassen. Die Hürden für eine Bundestagsauflösung sind hoch. Die Legislaturperiode wird bis 2021 laufen. Unsere Themen sind dann noch immer sehr wichtig. Wenn in einer Umfrage 34 Prozent eine CO2-Steuer wollen, dann sind das nicht „nur“ 34 Prozent, wann hat es das jemals schon gegeben, dass eine Steuer begrüßt wird, da sind 34 Prozent sehr hoch. Der Trend geht zum Klima- und Umweltschutz, geht zu uns.

Angenommen, die drei Landtagswahlen im Osten gehen schief, da könnte die Regierungskoalition aber schon platzen?
Grundl: Es hat schon oft geheißen, nächste Woche ist es aus. Das sehe ich mit niederbayerischer Gelassenheit. Es wird schwieriger, aber die Koalition wird halten.

Was steckt hinter dem Höhenflug der Grünen, was machen sie anders als die etablierten Parteien?
Grundl: Wir haben in den Jamaika-Verhandlungen eine gute Figur abgegeben. Man hat sich zusammengerauft und die Menschen haben viele ihrer Urteile über die Grünen revidiert, gesehen, dass man mit ihnen verhandeln kann und selbst die CSU zu einem Ergebnis kommen würde. Die ganze Bandbreite von Kretschmann bis Trittin hat sich bestens präsentiert und mit Kompromissen, auch innerparteilich, gepunktet. Diese Art von Politik scheint anzukommen. Und: Die Dringlichkeit der Klimaproblematik ist offensichtlich. Hier ist eine Transformation von Nöten, das kommt uns zu Gute, weil es schon immer auf unserer Agenda stand.

Sind es nicht die Schwächen von Union und SPD, die die Grünen stark machen?
Grundl: Union und SPD sind personell in schwierigem Fahrwasser, sie haben viel Personal verschlissen, vor allem die SPD. Und wenn man so lange mit einer innerparteilich überragenden Figur agiert wie mit Angela Merkel, ist es schwierig, den Übergang zu gestalten. Bei uns ist das geräuschlos über die Bühne gegangen. Unsere Vorsitzenden machen das derzeit ausnehmend gut, sind sehr authentisch, damit können sich viele Menschen identifizieren.

Empfehlen Sie Ihrer Partei, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen?
Grundl: Ja, aber dann, wenn wir vor der Wahl stehen. Wir haben gutes Personal und brauchen uns nicht zu verstecken.

Haben Sie im Fall der Regierungsverantwortung keine Angst, die Erwartungen zu enttäuschen?
Grundl: Natürlich lässt es sich in der Opposition entspannter agieren. Aber wir können versuchen, ein Umdenken zu erreichen, indem wir die Fehler der Bundesregierung aufzeigen. In Verantwortung werden wir Erfolge haben, weil wir die entscheidenden Themen ansprechen und wissen, wie wir sie umsetzen wollen. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist gegeben. Immer mehr Menschen erkennen die Notwendigkeit, dass man nicht mehr so weiter wirtschaften darf wie bisher.


Wie sehr sorgen Sie sich über den Rechtspopulismus in Europa, Deutschland, aber auch vor der Haustür?
Grundl: Das ist ein ganz großes Problem. Die Rechtspopulisten sind ein Paralleluniversum und dort schwer zu erreichen. Sie haben den herkömmlichen Medien den Rücken gekehrt. Sie bauen auf Verunsicherung. Ich zitiere da gar nicht ungern Angela Merkel in Harvard: „Dazu gehört, dass wir Lügen nicht Wahrheit nennen und nicht Wahrheit Lügen“. Also: Wir brauchen Wahrhaftigkeit und keine Lügen.

Ihre erste Bundestagsrede haben Sie zum AfD-Antrag „Deutsche Sprache“ mit dem Polt-Zitat „Braucht‘s das“ eingeleitet, braucht‘s die AfD?
Grundl: Nein, denn sie arbeitet an der Zersetzung der parlamentarischen Demokratie. Es geht ihr nur darum und sonst um nichts, nur darum, die anderen verächtlich zu machen. Da gibt es nichts Konkretes, nur das Niedermachen von anderen.

Aber der Wähler scheint zu sagen, die AfD brauchts?
Grundl: Ich sehe die Zahlen, wir, die anderen Parteien, haben große Fehler gemacht, auch in der Ansprache der Menschen. Die vorgefertigte, schablonenhafte Politik trifft nicht die Lebensrealität der Menschen, man hat unangenehme Dinge nicht thematisiert, hat die Menschen allein gelassen mit ihren Sorgen. Dann kommt jemand mit einfachen Antworten und fängt den Protest gegen alle anderen ein.

Aber Sie haben sich deutlich positioniert?
Grundl: In der AfD will man keine Freunde haben. Ich werde alles tun, dass diese Partei wieder aus dem Bundestag rausfliegt. Das scheint zwar utopisch, aber es ist möglich, denn die Leute werden sehen, wie extrem die AfD ist. Wir müssen in der Peripherie mehr tun. Wir dürfen nicht aufgeben und es als gottgegeben hinnehmen. Wir müssen einfach eine bessere Politik machen.

Niederbayern ist nicht gerade Grünen-Hochburg? Wie wollen Sie hier punkten?
Grundl: Ein sehr wichtiges Thema ist der Öffentliche Personennahverkehr. Da ist Niederbayern ganz schlecht aufgestellt. Wir müssen Schienenstrecken wie etwa die Ilztalbahn oder die Waldbahn dauerhaft aktivieren, nicht Strecken stilllegen. Die Politik setzt zu sehr auf den Ausbau der Autobahnen und auf die Straße. Und wir brauchen schnelles Internet. Hier steht Niederbayern besonders schlecht da. Dann müssen wir beim Flächenverbrauch umdenken.

Kommunalpolitisch sind die Grünen noch nicht so stark?
Grundl: Wir werben um Menschen, die sich einmischen wollen, die mitmischen wollen, das kann man bei uns. Ich bin das beste Beispiel dafür. Ich bin von der Kommunalpolitik in den Bundestag. Wir sind gerade dabei, uns so gut wie möglich aufzustellen, um den grünen Einfluss in den Kommunen zu stärken. Viele junge Menschen setzen viel Vertrauen in uns, auch Ältere erkennen, dass wir Gestaltungsmöglichkeiten haben. Das macht die Politik aber nicht einfacher. Die Verantwortung wiegt umso schwerer, denn die Menschen wollen Ergebnisse sehen. Da müssen wir liefern. Sonst kommt die Ernüchterung schneller als uns lieb ist.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 13.06.2019
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