Änderung braucht Fingerspitzengefühl

Für einen behutsamen Umgang mit der bestehenden Stadtbild-Satzung plädierte die grüne Bundestagskandidatin Stefanie Auer (2. Reihe rechts) auf einer Online-Diskussion mit Friedrich Brunner vom Forum Passau (1. Reihe rechts) und Peter Koller (2. Reihe links) vom Architekturforum Passau. -Screenshot: Wehner

Grünen-MdL Sabine Weigand diskutiert mit Forums-Chef Friedrich Brunner und Peter Koller vom Architekturforum online

Eine Änderung der Stadtbild-Satzung ist folgenschwer und erfordert Fingerspitzengefühl. Das ist das Ergebnis einer Online-Diskussion des Grünen-Kreisverbands Passau-Stadt mit Stadträtin Stefanie Auer, MdL Dr. Sabine Weigand, denkmalschutzpolitische Sprecherin der Grünen, Friedrich Brunner, Präsident Forum Passau, und Peter Koller, Vorsitzender des Architekturforums Passau. Stadträtin Dr. Stefanie Wehner, Mitglied im Ausschuss Bauen und Liegenschaften, moderierte.
Die Passauer Grünen beschäftigten sich mit der Stadtbild-Satzung, weil die SPD einen Antrag zur Überarbeitung dieser Verordnung aus dem Jahr 1986, die 2007 aktualisiert wurde, in den Ausschuss für Bauen und Liegenschaften eingereicht hat, sagte Fraktionsvorsitzende und Altstadtbewohnerin Stefanie Auer. Der Fokus liege auf dem Ausbau von Dachraum zu Wohnzwecken, der Erweiterung der Belichtung, der Nutzung von Fassaden und Dächern für die Ziele des Klimaschutzes und einer technischen Neuordnung. Die Stadtverwaltung habe den Auftrag erhalten, die Stadtbild-Satzung hinsichtlich dieser vier Punkte zu überprüfen. Es sei abgelehnt worden, das Landesamt für Denkmalpflege von Anfang an einzubeziehen. Auer plädierte dafür, „die Satzung auf den Prüfstand zu stellen, behutsam und im Einklang mit dem Stadtbildschutz, sich aber dem Klimaschutz nicht zu verschließen“. Es gelte, im Einzelfall zu entscheiden, was möglich ist. Sie befürwortete es, die Satzung „minimal zu öffnen“ und das historische Stadtbild im Blick auf Wohnen im Dachraum, Photovoltaik und Außenwirkung der Gastronomie zu erhalten, etwa bei Bestuhlung und Beschattung.
„Denkmalschutz hat in Bayern Verfassungsrang. Der Schutz des Ortsbilds ist Pflicht jeder Kommune“, sagte Sabine Weigand, Mitglied im bayerischen Denkmalrat. Mittel dazu sei die Gestaltungssatzung, wichtigstes Instrument städtebaulicher Denkmalpflege und Resultat der Stadtbildzerstörungen in den 1960er und 70er Jahren. Städtebauliche Ensembles und Strukturen besäßen denkmalschützerischen Wert, gerade in Passau. Viele Gestaltungssatzungen verlören jedoch nach zehn Jahren die „Beißkraft“, um Wildwuchs zu verhindern. Es sei sinnvoll, sie näher zu betrachten, Bilanz über die Schutzziele zu ziehen und auch Neues zu wagen, etwa in Sachen Barrierefreiheit und Solaranlagen. Sie ließen sich gut in Denkmäler integrieren, zum Beispiel durch Paneele in Form eines Biberschwanzes. Die Altstadt sei ein gewachsenes Gesamtkunstwerk. Der Dachausbau, nicht nur in Passau ein Thema, stehe und falle mit dem Licht. Passau besitze eine geschützte Dachlandschaft, Panoramablicke seien zu berücksichtigen. Sie riet zu einem Solarkataster und kritisierte, dass das Landesamt für Denkmalpflege außen vor bleibt.

Friedrich Brunner vom Forum Passau erläuterte die typische Topographie in Passau. Die Altstadt mit ihrer Dachlandschaft sei von allen Seiten her einsehbar, von Flussufern und -hängen. Sie sei eines der großen Alleinstellungsmerkmale der Stadt. Die Stadtbild-Satzung, die auf Stadtheimatpfleger Dr. Gottfried Schäffer und Dr. Mathias Ueblacker vom bayerischen Denkmalamt zurückgeht, sei eine der besten Gestaltungssatzungen in Bayern, auf Nachhaltigkeit ausgelegt und zukunftssicher. Damit sei der Dachgeschossausbau möglich und vielfach bereits geschehen. Es stoße ihm daher sauer auf, dass Stadtrat Fritz Gerstl trotzdem eine Änderung wolle, um Dachflächen kirchlicher „Palazzi“ in Domnähe auszubauen, die prägend für den Domplatz sind. Die bestehende Stadtbild-Satzung sei auch für die nächsten 15 Jahre praktikabel. Man solle sie nicht lockern, sondern eher verschärfen, weil Denkmäler in Passau gefährdet sind, kritisierte er OB Jürgen Dupper. Es sei ein Skandal, das Landesamt für Denkmalpflege nicht einzubeziehen.

Peter Koller vom Architekturforum Passau hielt die bestehende Stadtbild-Satzung dagegen für „sanierungsbedürftig“. Sie sei mit ihren „Schwärmereien aus den 1980er Jahren“ veraltet und nicht so einfach handhabbar. Er wünschte sich eine Satzung, die keine Erleichterung bietet, aber die Baukultur fördert, zum Beispiel bezüglich eines authentischen Fassadenbilds oder der Fenstererneuerung. Sie solle eine hohe handwerkliche Qualität der Ausführung vorschreiben, die Bausubstanz berücksichtigen und bei einem Weiterbau zu einem einheitlichen Bild und hoher baukultureller Güte anregen. Er lehnte Solarkollektoren in Form von Biberschwänzen ab.
Weigand bestätigte in der Diskussion das Dilemma zwischen der Wahrung des Bestands und den Bedürfnissen der Altstädter, die nach zeitgemäßen Standards leben wollen. Die Denkmalbehörde biete hier gute Beratung an. Menschen, die im Denkmal leben, wollten auch etwas für das Klima tun. Um zukunftsfähige Ortszentren zu erhalten, sie mit Leben zu erfüllen und Leerstände zu vermeiden, müssten Stadt und Bewohner mitgestalten. Es gelte, die Menschen für den Wert der historischen Bausubstanz ihres Heimatorts zu sensibilisieren. Da sich die Bedürfnisse ändern, könne man die Gestaltungssatzung überarbeiten, etwa bezüglich der Außenbestuhlung der Gastronomie, die farblos und langweilig wirke.
Von den Passauer Dachflächen befänden sich nur drei Prozent im historischen Bereich, entgegnete Friedrich Brunner. Man solle damit beginnen, die übrigen 97 Prozent der modernen Dächer mit PV zu bestücken, um das Klima zu schützen. Er widersprach Weigand auch bei den Stühlen und Schirmen. Dass diese frei von Werbung und nicht aus Plastik, sondern aus hochwertigem Material sind, fänden Wirte und Touristen positiv. Die bestehende Stadtbild-Satzung sei klar formuliert, sagte er zu Peter Koller. Sie reduziere die Einzelfälle, über die die Denkmalpflege zu befinden hat. Das Amt habe in Passau in 250 Fällen zu entscheiden. „Ohne die Stadtbild-Satzung wären es 500 bis 600 Anträge.“ Diese lasse auch moderne hochwertige Architektur zu, wenn das Denkmal nicht zu erhalten ist.
„Wir liegen nicht so weit auseinander“, bilanzierte Koller, dem es vor allem um hohe Qualität und Authentizität geht. Er wandte sich ebenfalls gegen den Nachbau historischer Gebäude. Hier stimmte auch Weigand zu. Koller forderte, bei Neubauten im historischen Teil den Gestaltungsbeirat einzuschalten. Er schlug vor, eine diesbezügliche Regelung in eine neue Stadtbild-Satzung aufzunehmen und diese auch auf Denkmäler der Stadt auszuweiten, die nicht zum Ensembleschutz der Altstadt gehören, um auf den Abriss eines erhaltenswertes Hauses im Bereich des Klinikums anzuspielen. Brunner und Stellvertreterin Monika Fecher regten an, eine Liste erhaltenswerter Bauten zu erstellen, ein Solarkataster anzulegen und mehr Befugnisse für den Gestaltungsbeirat zu erreichen, ehe an der Stadtbild-Satzung „herumgedoktert“ wird. Das sah auch Stefanie Auer so. Es sei wohl derzeit nicht der richtige Zeitpunkt, sie zu überarbeiten.

PNP: Theresia Wildfeuer

Quelle: Passauer Neue Presse vom 15.06.2021
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