Abgeordneter trifft sich zu Gesprächen mit „Spaziergängern“

Da hatte er das Schild noch: Bei einer Kundgebung Ende Februar letztens Jahres in Grafenau präsentierte sich Toni Schuberl damit als Ansprechpartner – beim "Spaziergang" in Waldkirchen wurde es ihm am vergangenen Montag gestohlen. -Foto: privat

MdL Toni Schuberl bietet Impfgegnern vor Ort Diskussion an – Teils gab es „heftige Debatten“ – Schild gestohlen

Rund 350 Menschen haben nach Angaben der Polizei am montäglichen „Spaziergang“ von Impfgegnern in Waldkirchen teilgenommen – auf dem Marktplatz am Wegrand hatte sich bei der jüngsten Auflage der Grünen-Landtagsabgeordnete Toni Schuberl postiert. Mit einem Gesprächsangebot an die Teilnehmer, auf das er mit einem Schild aufmerksam machte.

„Bewusst keine Gegen-Demo“

„Ich wollte meine Anwesenheit bewusst nicht als Gegendemonstration sehen“, so der MdL in einer Pressemitteilung. Denn als Abgeordneter verstehe er sich als Adressat für Kritik, der Sorgen ernst nehme. „Mit einer Demo will man seine Unzufriedenheit der Politik gegenüber ausdrücken. Deshalb war ich als Politiker vor Ort, um mir direkt anzuhören, was die Leute zu sagen haben. Ich nehme es als Appell wahr, da kann ich nicht daheim auf dem Sofa sitzen.“

Das Gespräch zu suchen, war in Waldkirchen aber laut dem 38-Jährigen gar nicht so einfach. Ohnmacht und Wut sind seiner Ansicht die Motivation für die Teilnahme an den sogenannten Spaziergängen, die Gespräche seien „aufgebracht und emotional“ verlaufen; es sei auch geschrien geworden.

Zu Beginn ignorierten die Spaziergänger den Mann mit dem Schild nach dessen eigenen Angaben, erst am Ende hätten sich mehrere Teilnehmer um ihn gescharrt und es habe eine „heftige Debatte über die Corona-Maßnahmen und die Impfpflicht“ eingesetzt.

So hätten sich Teilnehmer wütend von ihm abgewandt oder ihn gar als gekauft beschimpft, nachdem er seine Meinung vertrat, wonach das Risiko von Nebenwirkungen der Vakzine sehr viel geringer sei als die Risiken einer Infektion und dass die Impfpflicht die Pandemie am schnellsten beenden könne.

Andererseits hätten einige Pflegekräfte das Gesprächsangebot angenommen und ihm von ihrer Belastung am Arbeitsplatz berichtet. Und von ihrer Wut, weil sie als Ungeimpfte nun die Sündenböcke seien. „Das waren sehr wertvolle Eindrücke für mich,“ so Schuberl.

Nach Ansicht des MdL ist fehlendes Vertrauen das Grundproblem, bei fast jedem seiner Argumente seien die von ihm genannten Zahlen und Studienergebnisse in Frage gestellt worden. „Wir müssen wieder lernen, auf einer gemeinsamen Faktengrundlage zu diskutieren“, findet Schuberl.

Mitgenommen von der Diskussion am Marktplatz hat der 38-Jährige einen selbst gestellten Arbeitsauftrag: Krankenpflegerinnen hätten ihm gegenüber die Sorge zum Ausdruck gebracht, wonach nicht alle potenziellen Impfschäden registriert würden. „Dem werde ich nachgehen“, so Schuberl, wobei er keine Zweifel daran habe, dass echte Impfschäden gemeldet würden.

Abhandengekommen ist ihm jedoch sein Schild, mit dem er sich als Gesprächspartner vorstellte. Ein Mann aus der Gruppe, die sich um ihn versammelt hatte, habe ihn gefragt, ob er es mal haben könne. „Dann ist er damit weggegangen, ich weiß nicht, wo es hingekommen ist.“

Auch wenn er sich ärgert, eine Anzeige will Schuberl nicht erstatten. Die Polizei ermittelt jedoch von Amts wegen: „Diebstahl ist eine Straftat und wir sind gesetzlich verpflichtet, dem nachzugehen“, sagt Thomas Kern, Leiter der Polizeistation Waldkirchen. Die Dienststelle bittet in diesem Zusammenhang um Hinweise auf den Täter unter  Telefonnummer  08581/9865660.

„Gesittet und ganz ruhig“ verlief indes laut Kern, der etwa von 18 bis 20 Uhr vor Ort war, der „Spaziergang“ am vergangenen Montagabend. Es habe keine Behinderungen gegeben, die Teilnehmer hätten sich an alle Verkehrsregeln gehalten.

Leicht steigende Tendenz bei Teilnehmerzahl

Bei der Teilnehmerzahl verzeichnet der Waldkirchner Polizeichef eine „leicht steigende Tendenz“: Von 290 beziehungsweise 320 an den vergangenen Montagen auf nun 350. „Es sind auch Auswärtige aus den umliegenden Gemeinden dabei“, meint Kern.

Über die politische Ausrichtung der Teilnehmer will Beobachter Schuberl übrigens keine Aussage treffen. „Es wurden ja keine Reden gehalten oder Plakate gezeigt.“ Die Zusammensetzung der Gruppe sei seiner Ansicht nach heterogen gewesen ? wobei es auch Reichsbürgeraussagen zu hören gegeben habe.

Trotz Anfeindungen kündigt Schuberl an, wieder zu einem „Spaziergang“ zu kommen – Ort und Zeit sind allerdings noch offen. „Ich werde mir ein neues Schild malen und wieder das Gespräch suchen, denn wir dürfen niemals aufhören, miteinander zu reden, zu streiten und gemeinsam um den richtigen Weg zu ringen.“

Quelle: Passauer Neue Presse vom 20.01.2022
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