Bütikofer sieht Europa als zentrales Wahl-Thema

Europa-Chef der Grünen: Deutschland größter Profiteur von Mitgliedschaft in der EU – Krisen inzwischen als Chancen zu Verbesserungen verstanden

Eine zentralere Rolle als je zuvor spielt Europa bei der bevorstehenden Bundestagswahl, so der Sprecher der deutschen Delegation der Grünen im Europäischen Parlament, Reinhard Bütikofer, am Mittwochabend bei einer Veranstaltung von Bündnis 90/Die Grünen im Scharfrichterhaus. Statt politischer Satire gab es auf der traditionsreichen Bühne Breitseiten gegen „Sprengmeister von Rechts“, wie der Grünen-Landeschef Eike Hallitzky die Verfechter nationalistischer Alleingänge abkanzelte.
Die Zukunft unseres Landes europäisch denken und beschreiben – diese Devise gab Hallitzkys „Chef-Chef“ Reinhard Bütikofer den Zuhörern mit auf den Weg in den Bundestagswahlkampf-Endspurt. Der gebürtige Pfälzer räumte ein, dass Europa in der Vergangenheit Fehler gemacht und Hoffnungen enttäuscht habe. „Und trotzdem bleibt es unverzichtbar“, betonte der Grünen-Politiker unter dem Eindruck der Gefahren für die vielen positiven Errungenschaften innerhalb Europas, wie Freizügigkeit, wirtschaftliche und demokratische Stabilität sowie die lange Friedensphase.
Als ein großes Versäumnis wertete es der 64-Jährige, dass 2004 nach der Öffnung für die Länder des ehemaligen Ostblocks die Frage nicht gestellt worden sei, „wohin von hier aus.“ Die Diagnose des Grünen-Europa-Parlamentariers: „Die Vision hat aufgehört, als Vision zu funktionieren.“ Europa sei ein populäres Projekt, aber kein Selbstläufer, gab Bütikofer zu bedenken und gestand ein, dass es zu viel Einmischung von Brüsseler Seite gegeben habe. Trotzdem: Deutschland sei der größte Profiteur aus der Mitgliedschaft in der EU, so der Redner.
Die deutliche Forderung des Europa-Chefs der Grünen: „Wir brauchen mehr Gemeinsamkeit.“ Als Beispiel für eine gemeinsame Aufgabe skizzierte er die Flüchtlingspolitik und kreidete der Bundesregierung an, bis 2015 allein auf die Einhaltung des Dublin-Abkommens vertraut zu haben. „Alle müssen beitragen“ – das sollte stattdessen als Grundsatz gelten. Für die entscheidenden Fragen gilt nach seinen Worten: „Keine Lösung, wenn es keine europäische gibt.“
Der studierte Philosoph und Historiker vertrat die Überzeugung, dass Europa ohne „grüne Neuerungen“ nicht wirklich vorankomme. Gerade bei der Erfüllung der großen Aufgabe, den Klimawandel anzugehen, stelle er fest, dass der politische Ehrgeiz der europäischen Länder fehle. Zur Wirtschaftspolitik merkte Bütikofer an, man könne sich „nicht aus der Krise herausschrumpfen.“ Von der Automobilbranche erwarte er sich mehr ökologische Innovationskraft. Europa sei noch fähig zu neuen Aufbrüchen. „Aber dann muss man’s auch machen“, fügte Bütikofer energisch hinzu.
In der Diskussionsrunde prangerte das Mitglied des EU-Parlaments die Streichung des Grundrechts auf Asyl als „eine der zynischsten Forderungen der AfD“ an. Zum heiß diskutierten Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei kam ein Nein aus Bütikofers Mund. Vielmehr sollte man mit Blick auf die Menschen in der Türkei, die auf die EU große Hoffnungen setzen, die Botschaft senden, die Öffnung des Landes zu befördern – mit folgendem Zusatz: „Aber diese Türkei unter Erdogan kann’s nicht sein.“ Eine europafeindliche Richtung attestierte Grünen-Direktkandidat Boris Burkert seinem Passauer Unions-Kontrahenten Andreas Scheuer. „Die CSU ist in Europa noch nicht angekommen“, gab er als Parole aus; es sei dramatisch, was aktuell in Polen und Ungarn abgehe. Der Grünen-Landesvorsitzende Hallitzky bekundete, dass nur Europa Sicherheit garantieren könne. Sein Versprechen: „Wir werden weiter Brücken bauen in Europa.“

Quelle: Passauer Neue Presse vom 25.08.2017

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